18.10.2016

EuGH-Vorlage: Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis

Der EuGH hat noch nicht die Frage entschieden, ob der Anspruch auf finanziellen Ausgleich auch dann Teil der Erbmasse wird, wenn das nationale Erbrecht dies ausschließt. Außerdem ist noch nicht geklärt, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 GRC auch in den Fällen eine erbrechtliche Wirkung zukommt, in denen das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen bestand.

BAG 18.10.2016, 9 AZR 196/16 (A)
Der Sachverhalt:
Der Ehemann der Klägerin war seit April 2003 beim Beklagten als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war u.a. hinsichtlich des Urlaubes geregelt, dass der Arbeitnehmer im Kalenderjahr Anspruch auf 30 Werktage Urlaub habe. Bei Eintritt oder Ausscheiden während eines Kalenderjahres werde der Urlaub anteilig gewährt.

Der Ehemann starb Anfang 2013. Die Klägerin ist Alleinerbin. Sie verlangte vom beklagten Arbeitgeber ihres verstorbenen Gatten die Abgeltung des Urlaubs, den dieser aus dem Arbeitsverhältnis erworben hatte. Die Klägerin war der Ansicht, dass ihr auf Grund der geänderten EuGH-Rechtsprechung vom 12.6.2014 (C-118/13 [Bollacke]) der Urlaubsabgeltungsanspruch ihres verstorbenen Ehemannes zustehe.

Arbeitsgericht und LAG gaben der Klage statt. Auf die Revision des Beklagten hat das BAG dem EuGH zur Auslegung des Unionsrechts folgende Fragen vorgelegt:

1. Räumt Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) oder Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dem Erben eines während des Arbeitsverhältnisses verstorbenen Arbeitnehmers einen Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich für den dem Arbeitnehmer vor seinem Tod zustehenden Mindestjahresurlaub ein, was nach § 7 Abs. 4 BUrlG i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist?

Falls die Frage zu 1. bejaht wird:

2. Gilt dies auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen zwei Privatpersonen bestand?

Die Gründe:
Nach Rechtsprechung des 9. Senats können weder Urlaubs- noch Urlaubsabgeltungsansprüche nach § 7 Abs. 4 BUrlG i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB auf den Erben eines Arbeitnehmers übergehen, wenn dieser während des Arbeitsverhältnisses stirbt. Zwar hatte der EuGH mit Urteil vom 12.6.2014 (s.o.) angenommen, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegensteht, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne finanziellen Ausgleich untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Er hatte jedoch nicht die Frage entschieden, ob der Anspruch auf finanziellen Ausgleich auch dann Teil der Erbmasse wird, wenn das nationale Erbrecht dies ausschließt. Außerdem ist noch nicht geklärt, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 GRC auch in den Fällen eine erbrechtliche Wirkung zukommt, in denen das Arbeitsverhältnis zwischen Privatpersonen bestand.

Letztlich besteht auch noch Klärungsbedarf bezüglich des Untergangs des vom Unionsrecht garantierten Mindestjahresurlaubs. Denn in der EuGH-Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub untergehen kann, wenn der Urlaub für den Arbeitnehmer keine positive Wirkung als Erholungszeit mehr hat. Letzteres ist nach dem Tod des Arbeitnehmers aber der Fall, weil in der Person des verstorbenen Arbeitnehmers der Erholungszweck nicht mehr verwirklicht werden kann.

Hintergrund:
Der 9. Senat hat ebenfalls heute den EuGH in einem ähnlich gelagerten Rechtsstreit - 9 AZR 45/16 (A) - um Vorabentscheidung ersucht. In diesem Fall hatte die Erbin eines während des Arbeitsverhältnisses verstorbenen Arbeitnehmers von einer öffentlichen Arbeitgeberin die Abgeltung des ihrem Ehemann vor seinem Tod zustehenden Urlaubs verlangt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.
BAG PM Nr. 55 vom 18.10.2016
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