28.09.2020

EuGH zu Betriebspensionen für Führungskräfte in Österreich

Der EuGH hat sich zur Frage geäußert, ob die österreichischen Rechtsvorschriften, die einen Abzug von den Pensionen, die von mehrheitlich vom Staat kontrollierten Unternehmen unmittelbar an die Bezugsberechtigten ausbezahlt werden, sowie die Aufhebung der Indexierung der Höhe der Pensionen vorsehen, mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

EuGH v. 24.9.2020 - C 223/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist ein ehemaliger Angestellter von NK, einer börsennotierten Aktiengesellschaft, an der das Land Niederösterreich mit ca. 51% beteiligt ist. Er schloss im März 1992 mit NK einen Vertrag über eine Betriebspension. Diese Vereinbarung enthielt eine "direkte Leistungszusage" seitens NK, d.h. eine Betriebspension, die durch von diesem Arbeitgeber gebildete Rückstellungen finanziert wird und zu deren direkter Auszahlung an den Arbeitnehmer nach Ende des Arbeitsverhältnisses sich der Arbeitgeber verpflichtet hat. Außerdem wurde eine Wertsicherungsklausel vereinbart, nach der alle Ruhebezugsansprüche um den Prozentsatz erhöht werden, der während des Bezugs der genannten Betriebspension auf die im Kollektivvertrag für die Angestellten österreichischer Unternehmen des betreffenden Wirtschaftszweigs vereinbarten Gehälter der jeweils höchsten Verwendungsgruppe angewandt wird. Der Kläger, der 2010 in den Ruhestand versetzt worden, bezieht seitdem insoweit verschiedene Pensionsleistungen. Unter anderem erhält er von NK seit Dezember 2010 Zahlungen aufgrund der vom März 1992 geschlossenen Betriebspensionsvereinbarung vorgesehenen "direkten Leistungszusage". Seit dem 1.1.2015 behielt NK gemäß § 24a NÖ Landes- und GemeindebezügeG Abzüge für einen Pensionssicherungsbeitrag ein. Gemäß § 711 ASVG erhöhte NK den Betrag der Betriebspension des Klägers des Ausgangsverfahrens für das Jahr 2018 nicht, obwohl sich der direkt ausgezahlte Teil dieser Pension entsprechend der Gehaltsindexierung, die im Tarifvertrag für die Angestellten der österreichischen Unternehmen des betreffenden Wirtschaftszweigs für dieses Jahr vorgesehen war, um 3% hätte erhöhen müssen.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens erhob beim vorlegenden Gericht, dem LG Wiener Neustadt (Österreich), Klage gegen NK, mit der er zum einen die genannten Abzüge und die Nichterhöhung seiner Betriebspension rügt und die zum anderen auf Feststellung seiner zukünftigen Rechte gerichtet ist.

Im Rahmen des Rechtsstreits zwischen dem ehemaligen Angestellten und der NK AG wegen des Abzugs eines Betrages von der unmittelbar von dieser an den ehemaligen Angestellten gezahlten Betriebspension und der Aufhebung der vertraglich vereinbarten Indexierung dieser Pension für das Jahr 2018 hat das LG Wiener Neustadt (Österreich) den EuGH angerufen.

Der EuGH hat sich nun geäußert zur Auslegung der RL 2000/78 zur Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, der RL 2006/54 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

Die Gründe:
Die RL 2000/78/EG und die RL 2006/54/EG sind dahin auszulegen, dass Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates in ihren Geltungsbereich fallen, nach denen zum einen ein Teil des Betrags der Betriebspension, zu dessen direkter Auszahlung an den ehemaligen Arbeitnehmer sich der Arbeitgeber durch eine Vereinbarung verpflichtet hat, vom Arbeitgeber an der Quelle einzubehalten ist, und zum anderen der vertraglich vereinbarten Indexierung der Höhe dieser Leistung die Wirkung genommen wird.

Art. 5 Buchst. c und Art. 7 Buchst. a Ziff. iii der RL 2006/54 sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaates nicht entgegenstehen, nach der den Bezugsberechtigten einer Pension, zu deren unmittelbaren Zahlung an sie ein staatlich kontrolliertes Unternehmen sich durch eine Vereinbarung verpflichtet hat und die bestimmte, mit dieser Regelung festgelegte Grenzen überschreitet, zum einen ein Betrag, der von dem Teil dieser Pension einbehalten wird, der eine dieser Grenzen überschreitet, und zum anderen der Vorteil einer vertraglich vereinbarten Indexierung dieser Pension vorenthalten werden, selbst wenn der Prozentsatz ehemaliger Arbeitnehmer, bei denen die Höhe der Betriebspension durch diese Regelung beeinträchtigt worden ist, bei den in deren Geltungsbereich fallenden ehemaligen Arbeitnehmern erheblich höher ist als bei den in diesen Geltungsbereich fallenden ehemaligen Arbeitnehmerinnen, sofern diese Folgen durch objektive Faktoren gerechtfertigt sind, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b der RL 2000/78 ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaates, nach der den Bezugsberechtigten einer Pension, zu deren unmittelbaren Zahlung an sie ein staatlich kontrolliertes Unternehmen sich durch eine Vereinbarung verpflichtet hat und die bestimmte, mit dieser Regelung festgelegte Grenzen überschreitet, zum einen ein Betrag, der von dem Teil dieser Pension einbehalten wird, der eine dieser Grenzen überschreitet, und zum anderen der Vorteil einer vertraglich vereinbarten Indexierung dieser Pension vorenthalten werden, nicht allein aus dem Grund entgegensteht, dass diese Regelung nur Bezugsberechtigte betrifft, die bereits ein bestimmtes Alter überschritten haben.

Die Art. 16, 17, 20 und 21 der Charta der Grundrechte der EU sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaates nicht entgegenstehen, nach der den Bezugsberechtigten einer Pension, zu deren unmittelbaren Zahlung an sie ein staatlich kontrolliertes Unternehmen sich durch eine Vereinbarung verpflichtet hat und die bestimmte, mit dieser Regelung festgelegte Grenzen überschreitet, zum einen ein Betrag, der von dem Teil dieser Pension einbehalten wird, der eine dieser Grenzen überschreitet, und zum anderen der Vorteil einer vertraglich vereinbarten Indexierung dieser Pension vorenthalten werden.

Art. 47 der Charta der Grundrechte der EU ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegenstehet, dass ein Mitgliedstaat es unterlässt, in seiner Rechtsordnung einen eigenständigen Rechtsbehelf vorzusehen, der mit dem Hauptantrag darauf gerichtet ist, die Vereinbarkeit nationaler Bestimmungen zur Umsetzung des Unionsrechts mit dem Unionsrecht zu prüfen, sofern die Möglichkeit einer entsprechenden inzidenten Prüfung besteht.
EuGH PM vom 24.9.2020
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