Flughafen: Gewerkschaft haftet bei Rechtswidrigkeit eines Streiks nicht automatisch auf Schadensersatz
Arbeitsgericht Frankfurt a.M. 25.3.2013, 9 Ca 5558/12Klägerinnen des Verfahrens sind die FRAPORT AG, die Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG und die Deutsche Lufthansa AG. Diese nahmen die beklagte Gewerkschaft der Flugsicherung e.V. (GdF) wegen eines aus ihrer Sicht rechtswidrigen Streiks auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. über neun Millionen Euro in Anspruch.
Hintergrund war ein Streik, den die GdF im Februar 2012 auf dem Frankfurter Flughafen bei der FRAPORT AG in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale durchgeführt hatte ("Hauptstreik"). Die Klägerinnen beziehen sich ferner auf ein Schreiben der GdF aus dieser Zeit, mit dem diese die Mitarbeiter im Geschäftsbereich Tower der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH zum Streik aufgerufen hatte ("Unterstützerstreik").
Die Klägerinnen vertraten die Ansicht, dass sowohl der "Hauptstreik" als auch der Aufruf zum "Unterstützerstreik" rechtswidrig gewesen seien. Die streikbedingten Flugausfälle hätten hohe Schäden zur Folge gehabt. Ihre Klage auf Zahlung von Schadensersatz hatte vor dem Arbeitsgericht keinen Erfolg. Die Klägerinnen können gegen das Urteil allerdings noch Berufung zum Hessischen LAG einlegen.
Die Gründe:
Die Klägerinnen haben gegen die beklagte Gewerkschaft keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen des im Februar 2012 durchgeführten Streiks.
Die Gewerkschaft hat zwar mit dem Hauptstreik rechtswidrig und unmittelbar in das Recht der FRAPORT AG an deren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen. Ein Schadensersatzanspruch zugunsten der FRAPORT AG ergibt sich hieraus aber nicht.
Die Gewerkschaft kann sich insoweit mit Erfolg auf den Einwand des "rechtmäßigen Alternativverhaltens" berufen. Denn die Rechtswidrigkeit des Hauptstreiks folgt allein daraus, dass die Gewerkschaft die sich aus dem zwischen ihr und der FRAPORT AG in Teilen noch fortgeltenden Landesbezirkstarifvertrag Nr. 32/2007 ergebende Friedenspflicht verletzt hatte. Die von der FRAPORT AG behaupteten Schäden wären ebenso eingetreten, wenn die GdF den Teil der friedenspflichtverletzenden Forderungen, bei denen es sich lediglich um untergeordnete Nebenforderungen handelte, nicht in ihre Streikforderung aufgenommen und damit rechtmäßig gestreikt hätte.
Auch den klagenden Fluggesellschaften steht kein Schadensersatzanspruch gegen die Gewerkschaft zu. Insoweit fehlt es bereits an dem für einen deliktischen Schadensersatzanspruch erforderlichen unmittelbar gegen die Klägerinnen gerichteten "betriebsbezogenen" Eingriff in deren Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Auf die Verletzung der schuldrechtlich gegenüber der FRAPORT AG als Tarifvertragspartei bestehenden Friedenspflicht konnten sich die klagenden Fluggesellschaften hingegen nicht berufen, da die Friedenspflicht gerade nicht die Fluggesellschaften "als Dritte" schützt.
Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich schließlich auch nicht aus dem lediglich angekündigten, aber nicht durchgeführten Unterstützungsstreiks. Es ist nicht ersichtlich, dass es allein aufgrund der Ankündigung zu Beeinträchtigungen des Flugbetriebs bzw. zu Schäden gekommen wäre, die nicht ohnehin durch den durchgeführten Hauptstreik verursacht worden waren und für dessen Folgen die Gewerkschaft gerade nicht haften muss.