12.10.2011

Freigestellte Fußballtrainer können Anspruch auf Fortzahlung der vereinbarten Prämien haben

Ist mit einem Fußballtrainer formularmäßig vereinbart worden, dass sich sein Gehalt aus einem Grundgehalt und zu mehr als 25 Prozent aus Prämien zusammensetzt, so müssen die Prämien grds. auch im Fall der Freistellung des Trainers weitergezahlt werden. Eine gleichzeitig vereinbarte Ausschlussklausel findet keine Anwendung, wenn sie alle "beiderseitigen Ansprüche aus dem Vertrag" und damit auch Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatz erfasst.

LAG Hamm 11.10.2011, 14 Sa 543/11
+++ Der Sachverhalt:
Der Kläger war beim beklagten SC Paderborn seit Februar 2008 befristet bis zum 30.6.2010 als Cheftrainer der ersten Mannschaft beschäftigt.

Der zugrunde liegende formularmäßige Arbeitsvertrag enthielt folgende Regelungen:

  • Der Kläger erhält eine monatliche Grundvergütung zwischen 12.000 und 15.000 Euro, sowie einen Dienstwagen und Prämien für jeden Meisterschaftspunkt, der während der Zugehörigkeit zur 2. Fußball-Bundesliga erzielt wird, sowie für den Aufstieg in die 2. Fußball-Bundesliga.
  • Ab dem Zeitpunkt einer Freistellung wird nur noch die Grundvergütung gezahlt. Die Aufstiegsprämie wird dann nur zeitanteilig gewährt und der Dienstwagen ist binnen vier Wochen nach der Freistellung entschädigungslos herauszugeben.
  • Die beiderseitigen Ansprüche aus dem Vertrag sind binnen vier Monaten ab Fälligkeit gegenüber der Gegenseite geltend zu machen.

Zur Saison 2009/2010 stieg die Mannschaft in die 2. Fußball-Bundesliga auf. Bereits zuvor im Mai 2009 zwei Spieltage vor dem Ende der Saison 2008/2009 stellte der beklagte Verein den Kläger frei. Gleichzeitig forderte er ihn zur Rückgabe des Dienstwagens auf und zahlte fortan nur noch die Grundvergütung. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage verlangte der Kläger die Zahlung einer Punkteprämie für die Zweitligasaison 2009/2010, zeitanteilige Prämien für die Saison 2008/2009 und Schadensersatz für die Entziehung des Dienstwagens. Er meint, die arbeitsvertragliche Regelung, wonach eine Freistellung Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch hat, sei unwirksam.

Das Arbeitsgericht gab der Klage nur i.H.v. 40.000 Euro statt, weil ein Großteil der Ansprüche verfallen sei. Auf die Berufung des Klägers sprach das LAG ihm 132.000 Euro zu. Gleichzeitig ließ es die Revision gegen dieses Urteil zum BAG zu.

+++ Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Weiterzahlung der Prämien bis zum Vertragsschluss und auf Schadensersatz wegen Entziehung des Dienstwagens. Die Ansprüche sind auch nicht verfallen.

AGB-Kontrolle - Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB
Die Vereinbarung, wonach die Prämien im Fall der Freistellung entfallen, ist nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Hierin liegt ein unzulässiger einseitiger Änderungsvorbehalt durch den Verein zulasten des Klägers. Denn der Verein konnte den Kläger jederzeit einseitig und ohne Angabe von Gründen freistellen und so auch über die Prämienzahlungen disponieren. Hierdurch wurde erheblich in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen, konnte die Gesamtvergütung doch um bis 54,5 Prozent gekürzt werden; im Streitfall belief sich die Kürzung auf 37,2 Prozent. Dies überschreitet die vom BAG bei Änderungsvorbehalten anerkannte Grenze von 25 Prozent der Gesamtvergütung.

Unzulässige Abweichung von § 615 Satz 1 BGB
Die Vereinbarung ist auch mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren. Maßgebliche gesetzliche Regelung ist § 615 Satz 1 BGB, wonach Arbeitnehmer bei einem Annahmeverzug des Arbeitgebers Anspruch auf Fortzahlung ihrer Vergütung haben. Diese Vorschrift ist zwar grds. dispositiv. Angesichts des hohen Gerechtigkeitsgehalts der Vorschrift bestehen aber grundsätzliche Bedenken gegen die Zulässigkeit einer formularmäßigen Abbedingung.

Die Meinung des Beklagten, es handele sich um einen "gerechten Ausgleich", wenn ein freigestellter Trainer nicht das gleiche Entgelt bekomme wie ein aktiver Trainer, ist mit der Gesetzeslage nicht zu vereinbaren. Nach § 615 Satz 1 BGB ist es von Gesetzes wegen gerade gerecht und ausgewogen, die vereinbarte Vergütung trotz Freistellung unabhängig davon zu zahlen, ob ein anderer Arbeitnehmer für die Funktion nunmehr beschäftigt wird und zu bezahlen ist.

Ausschlussfrist unwirksam
Die Ansprüche des Klägers sind auch nicht wegen Versäumung der vertraglichen Ausschlussfrist teilweise verfallen. Die ebenfalls einer AGB-Kontrolle unterliegende Ausschlussfrist ist aus mehreren Gründen unwirksam. Sie erfasst die "beiderseitigen Ansprüche aus diesem Vertrag" und damit unzulässiger Weise auch Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatz. Außerdem weicht sie von wesentlichen Grundgedanken des Verjährungsrechts ab und kann letztlich zu einem unzulässigen Haftungsausschluss führen.

LAG Hamm PM vom 11.10.2011
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