Freistellung schützt Arbeitnehmer nicht vor einer fristlosen Kündigung
Hessisches LAG 29.8.2011, 7 Sa 248/11Der Kläger des Rechtsstreits war seit Oktober 2008 bei der beklagten Bank als Firmenkundenbetreuer beschäftigt, seit April 2009 mit Prokura. Am 16.6.2010 vereinbarten die Parteien die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2010 und die Freistellung des Klägers ab dem 1.7.2010 bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses bei Fortzahlung der Bezüge.
An seinen letzten Arbeitstagen bei der Beklagten Ende Juni 2010 übermittelte der Kläger insgesamt 94 E-Mails mit ca. 622 MB in 1.660 Dateianhängen an sein privates E-Mail Postfach bei einem Freemailer. Bei den übermittelten Informationen handelte es sich überwiegend um Daten, die dem Bankgeheimnis unterliegen, wie etwa Daten der vom Kläger betreuten Kunden, Dokumente, in denen die einem Unternehmen eingeräumten Kreditlinien und in Anspruch genommenen Kredite aufgelistet werden, Risikoanalysen für diverse Unternehmen, Kreditverträge u.Ä.
Als die Beklagte hiervon Kenntnis erlangte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 20.7.2010 fristlos. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, dass er die Daten lediglich dazu habe nutzen wollen, um während der Feistellung im Training zu bleiben; eine Weitergabe an Dritte sei nicht beabsichtigt gewesen.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten hob das LAG diese Entscheidung auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Die fristlose Kündigung ist wirksam. Der Kläger hat in schwerwiegender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, als er derart sensible Daten kurz vor Beginn seiner Freistellung an sein privates E-Mail-Fach sendete. Eine solche Pflichtverletzung kann auch in einem tatsächlich nicht mehr vollzogenen Arbeitsverhältnis eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
Zwar ist vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung regelmäßig eine Prognose anzustellen, wie der Arbeitnehmer sich künftig verhalten wird. Diese Prognose spricht vorliegend gegen eine fristlose Kündigung, da wegen der Freistellung des Klägers keinerlei Wiederholungsgefahr bestand.
Der Kläger hat aber das in ihn gesetzte Vertrauen der Beklagten durch die Mitnahme geheimhaltungsbedürftiger Bankdaten so schwer erschüttert, dass ihr das Festhalten am Arbeitsverhältnis und die Fortzahlung der Bezüge bis Dezember 2010 nicht mehr zumutbar sind. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Fehlverhalten des Klägers ein nahezu gleich großes Gewicht hat wie eine strafbare Handlung zulasten des Arbeitgebers.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Einlassung des Klägers, er habe die Daten auf seinem Rechner nicht an Dritte weitergeben wollen. Diese Äußerung ist als unbeachtliche Schutzbehauptung zu bewerten.