24.05.2019

"Fume-Event": Beißende Gerüche in Flugzeug reichen nicht zum Beweis einer chemisch-toxischen Belastung

Das Auftreten eines Geruchs bei Verkehrsflügen der zivilen Luftfahrt (sog. "Fume-Event") stellt für sich allein keine Einwirkung i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII dar. Vielmehr ist zur Erfüllung des Tatbestandes eines Arbeitsunfalls eine mit diesem Geruch verbundene chemisch-toxische Belastung im Vollbeweis zu sichern.

SG Gießen v. 1.2.2019 - S 1 U 61/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war bei der Lufthansa AG als Flugbegleiterin tätig. Nach ihren Angaben kam es bei einem Langstreckenflug zu einem sog. "Fume-Event". Dies bezeichnet die Wissenschaft als ein Vorkommnis, bei dem in der Kabine plötzlich ein beißender, miefiger Geruch wahrgenommen wird. Die Klägerin beantragte daraufhin bei der Beklagten, der zuständigen Unfallversicherung, die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Diese lehnte den Antrag ab, weil nicht feststehe, dass gesundheitsgefährdende Stoffe in das Flugzeug eingetreten seien.

Das SG wies die Klage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls ab.

Die Gründe:
Bei dem streitgegenständlichen Langstreckenflug kam es nicht zu einem Arbeitsunfall i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass eine toxische Einwirkung auf dem Flug stattfand. Das Auftreten eines Geruchs bei Verkehrsflügen der zivilen Luftfahrt stellt für sich allein keine Einwirkung i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII dar. Umstritten ist zwar, ob bei einem "Fume-Event" Gefährdungen für die Gesundheit von Crewmitgliedern und Passagieren erwachsen können. Dies führt aber nicht dazu, dass bei sämtlichen subjektiv und objektiv wahrgenommenen Geruchsveränderungen während eines Fluges eine Beweiserleichterung oder sogar eine Beweislastumkehr eintrete. Eine Beweiserleichterung oder Beweislastumkehr kommt bei Flügen mit vielen Besatzungsmitgliedern und mehreren hundert Passagieren höchstens dann in Betracht, wenn eine Vielzahl von Versicherten oder Passagieren in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Flug erkrankt, was hier nicht der Fall war.
SG Gießen PM vom 9.5.2019
Zurück