Gegenstandswert bei Klage auf Unterlassung verbotener Konkurrenztätigkeit
LAG Nürnberg v. 25.5.2023, 2 Ta 42/23
Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten in der Hauptsache um den Bestand des Arbeitsverhältnisses (zwei Kündigungen vom 17.6.2021 und vom 2.2.2022, Auflösungsantrag des Klägers) und im Wege der Widerklage um Untersagung des Tätigwerdens für einen Wettbewerber, Auskunft über die vom Kläger für den Wettbewerber vermittelten Kunden, Schadensersatz für sämtlichen durch die Vermittlung der Kunden entstandenen gegenwärtigen und zukünftigen Schaden sowie Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 165.438 € gestritten, im Verfahren korrigiert auf 164.015 €.
Das monatliche Bruttoeinkommen des Klägers betrug rund 18.063 €. Die Beklagte hatte den durch die vom Kläger vorgenommenen streitigen Abwerbungen von Kunden verursachten Umsatzausfall auf jährlich 828.487 € netto und einen hieraus resultierenden Schaden auf jährlich 164.015 € beziffert. Das Verfahren endete durch gerichtlich festgestellten Vergleich. Darin einigten sich die Parteien u.a. auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2021, die Zahlung einer Abfindung, die Erteilung eines Zeugnisses auf Basis des erteilten Zwischenzeugnisses vom 1.12.2020 und eine Abgeltungsklausel.
Der Klägervertreter regte daraufhin an, den Streitwert auf 2.080.070 €, den überschießenden Vergleichswert auf 701.730 € festzusetzen. So sei u.a. der Bestandsstreit mit insgesamt sechs Monatsgehältern zu bewerten, der Auflösungsantrag mit einem weiteren Monatsgehalt. Hinsichtlich des Untersagungsantrags sei von der Umsatzeinbuße für ein Jahr auszugehen. Der Auskunftsanspruch sei mind. mit einem Viertel des Schadens von vier Jahren, also mit 828.487 € zu bewerten. Der Vergleichswert sei im Hinblick auf die Einigung über das Zeugnis um ein Bruttomonatsgehalt zu erhöhen. Der Beklagtenvertreter schloss sich den Ausführungen an. Das Arbeitsgericht setzte den Streitwert und den überschießenden Vergleichswert demensprechend fest.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten nanch Austausch mit der Rechtsschutzversicherung hat das LAG den Beschluss abgeändert und den Gegenstandswert für die Gebührenberechnung auf 1.017.996 € sowie für den Vergleich auf 1.036.060 € festgesetzt.
Die Gründe:
Die Klageanträge waren mit einem Gegenstandswert von 108.383 € zu bewerten. Die beiden Kündigungen lagen nämlich hinsichtlich der streitigen Beendigungstermine mehr als drei Monate auseinander, so dass insoweit sechs Monatsgehälter á 18.063 € festzusetzen waren (§ 42 Abs. 2 Satz 1 GKG; vgl. I. Nr. 21.3 SWK). Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts war der Auflösungsantrag nicht zu bewerten (§ 42 Abs. 2 Satz 1 HS 2 GKG; vgl. I Nr. 1 SWK).
Die Widerklage war insgesamt mit einem Gegenstandswert von 882.007 € zu bewerten. Der Widerklageantrag hinsichtlich der Untersagung für den Wettbewerber tätig zu werden war mit 82.007 € zu bewerten. Die Bewertung bestimmte sich nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Erhebt der Arbeitgeber nach Ausspruch einer Kündigung, die der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen hat, gegen den Arbeitnehmer Klage auf Unterlassung verbotener Konkurrenztätigkeit, ist der Gegenstandswert an dem Interesse des Arbeitgebers an der Unterlassung der Konkurrenztätigkeit auszurichten. Dabei ist insbesondere die von ihm befürchtete Umsatz- oder Gewinneinbuße zu berücksichtigen. Gegebenenfalls sind Abschläge wegen einer angekündigten oder gleichzeitig erhobenen Schadensersatzklage und der Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich alsbald durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom vertraglichen Wettbewerbsverbot zu lösen, zu machen. (LAG Thüringen 8.9.1998 - 8 Ta 89/98).
Im Hinblick auf die mit den Widerklageanträgen geltend gemachten Schadensersatzansprüche war ein weiterer Abschlag von 50% durchaus angemessen. Eine völlige Anrechnung wegen wirtschaftlicher Identität kam nicht in Betracht, da sich der Untersagungsantrag auf die Tätigkeit des Klägers beim Wettbewerber insgesamt und nicht nur auf das Abwerben von Kunden (also auf den so errechneten Schaden) bezog. Im Ergebnis war daher der Widerklageantrag um Untersagung des Tätigwerdens für einen Wettbewerber mit der Hälfte der jährlichen Gewinneinbuße zu bewerten. Das waren 82.007 €.
Den Widerklageantrag hinsichtlich der Schadensersatzansprüche waren gem. §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO mit insgesamt 800.000 € zu bewerten. Der Antrag bezog sich auf sämtliche Schäden, die durch die Kundenvermittlung entstanden waren oder noch entstehen werden. Den jährlichen Mindestschaden hatte die Beklagte auf 164.015 € beziffert. Das ist der Schaden, der nach Ansicht der Beklagten aus den bereits bekannten Abwerbungen jährlich entsteht. Der Antrag wie auch der Widerantrag zur Auskunft zielte jedoch auf noch weitere, der Beklagten bislang noch unbekannte Abwerbungen und Schäden ab. Da der Beklagten jedoch zumindest die meisten Abwerbungen bekannt sein dürften, da sie die bei ihr eingegangenen Kündigungen selbst ermitteln kann und sie hierauf den von ihr berechneten Mindestschaden stützte, war nur noch ein maßvoller Aufschlag auf den jährlichen Mindestschaden im Rahmen des § 3 ZPO angemessen. Das Gericht ging von dem Wert des Schadensersatzanspruchs von 200.000 € jährlich aus. Es war angemessen, diesen Betrag auf vier Jahre hochzurechnen, wie es die Parteivertreter zunächst für richtig hielten. Auch die Beklagte ging bei ihrer Rechnung insgesamt für die Widerklage von einem vierjährigen Betrachtungszeitraum aus.
Mehr zum Thema:
Aktionsmodul Arbeitsrecht:
Für klare Verhältnisse sorgen: Mit den Inhalten der erstklassigen Standardwerke zum Arbeitsrecht. Topaktuell mit Fachinformationen rund um die Corona-Krise. Zahlreiche bewährte Formulare auch mit LAWLIFT bearbeiten! Neuauflage HWK Arbeitsrecht Kommentar mit Rechtsstand 1.4.2022. Hier online nutzen. 4 Wochen gratis nutzen!
Bayern.Recht
Die Parteien hatten in der Hauptsache um den Bestand des Arbeitsverhältnisses (zwei Kündigungen vom 17.6.2021 und vom 2.2.2022, Auflösungsantrag des Klägers) und im Wege der Widerklage um Untersagung des Tätigwerdens für einen Wettbewerber, Auskunft über die vom Kläger für den Wettbewerber vermittelten Kunden, Schadensersatz für sämtlichen durch die Vermittlung der Kunden entstandenen gegenwärtigen und zukünftigen Schaden sowie Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 165.438 € gestritten, im Verfahren korrigiert auf 164.015 €.
Das monatliche Bruttoeinkommen des Klägers betrug rund 18.063 €. Die Beklagte hatte den durch die vom Kläger vorgenommenen streitigen Abwerbungen von Kunden verursachten Umsatzausfall auf jährlich 828.487 € netto und einen hieraus resultierenden Schaden auf jährlich 164.015 € beziffert. Das Verfahren endete durch gerichtlich festgestellten Vergleich. Darin einigten sich die Parteien u.a. auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2021, die Zahlung einer Abfindung, die Erteilung eines Zeugnisses auf Basis des erteilten Zwischenzeugnisses vom 1.12.2020 und eine Abgeltungsklausel.
Der Klägervertreter regte daraufhin an, den Streitwert auf 2.080.070 €, den überschießenden Vergleichswert auf 701.730 € festzusetzen. So sei u.a. der Bestandsstreit mit insgesamt sechs Monatsgehältern zu bewerten, der Auflösungsantrag mit einem weiteren Monatsgehalt. Hinsichtlich des Untersagungsantrags sei von der Umsatzeinbuße für ein Jahr auszugehen. Der Auskunftsanspruch sei mind. mit einem Viertel des Schadens von vier Jahren, also mit 828.487 € zu bewerten. Der Vergleichswert sei im Hinblick auf die Einigung über das Zeugnis um ein Bruttomonatsgehalt zu erhöhen. Der Beklagtenvertreter schloss sich den Ausführungen an. Das Arbeitsgericht setzte den Streitwert und den überschießenden Vergleichswert demensprechend fest.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten nanch Austausch mit der Rechtsschutzversicherung hat das LAG den Beschluss abgeändert und den Gegenstandswert für die Gebührenberechnung auf 1.017.996 € sowie für den Vergleich auf 1.036.060 € festgesetzt.
Die Gründe:
Die Klageanträge waren mit einem Gegenstandswert von 108.383 € zu bewerten. Die beiden Kündigungen lagen nämlich hinsichtlich der streitigen Beendigungstermine mehr als drei Monate auseinander, so dass insoweit sechs Monatsgehälter á 18.063 € festzusetzen waren (§ 42 Abs. 2 Satz 1 GKG; vgl. I. Nr. 21.3 SWK). Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts war der Auflösungsantrag nicht zu bewerten (§ 42 Abs. 2 Satz 1 HS 2 GKG; vgl. I Nr. 1 SWK).
Die Widerklage war insgesamt mit einem Gegenstandswert von 882.007 € zu bewerten. Der Widerklageantrag hinsichtlich der Untersagung für den Wettbewerber tätig zu werden war mit 82.007 € zu bewerten. Die Bewertung bestimmte sich nach § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Erhebt der Arbeitgeber nach Ausspruch einer Kündigung, die der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage angegriffen hat, gegen den Arbeitnehmer Klage auf Unterlassung verbotener Konkurrenztätigkeit, ist der Gegenstandswert an dem Interesse des Arbeitgebers an der Unterlassung der Konkurrenztätigkeit auszurichten. Dabei ist insbesondere die von ihm befürchtete Umsatz- oder Gewinneinbuße zu berücksichtigen. Gegebenenfalls sind Abschläge wegen einer angekündigten oder gleichzeitig erhobenen Schadensersatzklage und der Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich alsbald durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom vertraglichen Wettbewerbsverbot zu lösen, zu machen. (LAG Thüringen 8.9.1998 - 8 Ta 89/98).
Im Hinblick auf die mit den Widerklageanträgen geltend gemachten Schadensersatzansprüche war ein weiterer Abschlag von 50% durchaus angemessen. Eine völlige Anrechnung wegen wirtschaftlicher Identität kam nicht in Betracht, da sich der Untersagungsantrag auf die Tätigkeit des Klägers beim Wettbewerber insgesamt und nicht nur auf das Abwerben von Kunden (also auf den so errechneten Schaden) bezog. Im Ergebnis war daher der Widerklageantrag um Untersagung des Tätigwerdens für einen Wettbewerber mit der Hälfte der jährlichen Gewinneinbuße zu bewerten. Das waren 82.007 €.
Den Widerklageantrag hinsichtlich der Schadensersatzansprüche waren gem. §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO mit insgesamt 800.000 € zu bewerten. Der Antrag bezog sich auf sämtliche Schäden, die durch die Kundenvermittlung entstanden waren oder noch entstehen werden. Den jährlichen Mindestschaden hatte die Beklagte auf 164.015 € beziffert. Das ist der Schaden, der nach Ansicht der Beklagten aus den bereits bekannten Abwerbungen jährlich entsteht. Der Antrag wie auch der Widerantrag zur Auskunft zielte jedoch auf noch weitere, der Beklagten bislang noch unbekannte Abwerbungen und Schäden ab. Da der Beklagten jedoch zumindest die meisten Abwerbungen bekannt sein dürften, da sie die bei ihr eingegangenen Kündigungen selbst ermitteln kann und sie hierauf den von ihr berechneten Mindestschaden stützte, war nur noch ein maßvoller Aufschlag auf den jährlichen Mindestschaden im Rahmen des § 3 ZPO angemessen. Das Gericht ging von dem Wert des Schadensersatzanspruchs von 200.000 € jährlich aus. Es war angemessen, diesen Betrag auf vier Jahre hochzurechnen, wie es die Parteivertreter zunächst für richtig hielten. Auch die Beklagte ging bei ihrer Rechnung insgesamt für die Widerklage von einem vierjährigen Betrachtungszeitraum aus.
Aktionsmodul Arbeitsrecht:
Für klare Verhältnisse sorgen: Mit den Inhalten der erstklassigen Standardwerke zum Arbeitsrecht. Topaktuell mit Fachinformationen rund um die Corona-Krise. Zahlreiche bewährte Formulare auch mit LAWLIFT bearbeiten! Neuauflage HWK Arbeitsrecht Kommentar mit Rechtsstand 1.4.2022. Hier online nutzen. 4 Wochen gratis nutzen!