Gegenstandswert bei Vergleich nach Ausspruch mehrerer Kündigungen
LAG Berlin-Brandenburg v. 20.7.2023 - 26 Ta (Kost) 6017/23
Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten u.a. über die Wirksamkeit von zwei Kündigungen gestritten, die zum 31.8. und zum 30.9.2022 ausgesprochen worden waren. Die Parteien haben sich im Rahmen eines Vergleichs auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.8.2022, die Zahlung von Vergütung und einer Abfindung geeinigt.
Das Arbeitsgericht hat bei der Berechnung des Gegenstandswerts nur den auf die erste Kündigung bezogenen Antrag berücksichtigt sowie die Zahlungsanträge. Es hat den Gegenstandswert für das Verfahren auf drei Bruttoeinkommen zuzüglich der mit den Zahlungsanträgen geltend gemachten Beträgen festgesetzt. Im Übrigen hat es einen Vergleichsmehrwert i.H.v. 2.924,77 € berücksichtigt. Die Beklagtenvertreter haben gegen den Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt. Sie waren der Ansicht, für die Folgekündigung sei ein weiteres Bruttoeinkommen zu berücksichtigen.
Das Arbeitsgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen. Das LAG hat den Gegenstandswert um ein Bruttoeinkommen erhöht.
Die Gründe:
Zur Berechnung des Gegenstandswerts sind zunächst die einzelnen Anträge zu bewerten. Sodann ist ein Gesamtgegenstandswert zu bilden. Bei der Bildung des Gesamtgegenstandswerts ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Werte für die einzelnen Anträge zusammenzurechnen sind. Hier ging es um zwei Kündigungsschutzanträge. Diese werden jeweils maximal mit einem Vierteljahreseinkommen bewertet, § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG. Bei der Frage, ob und in welchem Umfang Kündigungsschutzanträge zusammenzurechnen sind, kommt es darauf an, ob und inwieweit über sie entschieden worden ist oder sie Gegenstand eines Vergleichs geworden sind. Außerdem ist zu berücksichtigen, inwieweit wirtschaftlich derselbe Streitgegenstand betroffen ist.
Das Arbeitsgericht hat über die Anträge im Ergebnis nicht entschieden, denn die Parteien haben einen Vergleich geschlossen. Auch wenn die Parteien sich nicht auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu dem mit einer vorsorglichen Kündigung vorgesehenen Beendigungstermin einigen, kann meist davon ausgegangen werden, dass in einem Auflösungsvergleich sämtliche in das Verfahren eingeführte Beendigungstatbestände mitgeregelt worden sind. Gegenstand der Vergleichsverhandlungen sind regelmäßig alle Beendigungstatbestände.
Der gewählte Beendigungszeitpunkt wirkt sich im Rahmen des "Gesamtpakets" aus, in das in der Regel sämtliche Beendigungstatbestände als wertbildende Faktoren einfließen und damit jedenfalls materiell i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 GKG mit geregelt werden (vgl. LAG Baden-Württemberg 2.9.2016 - 5 Ta 101/16; LAG Berlin-Brandenburg 19.5.2021 - 17 Ta (Kost) 6041/21). Recht eindeutig ist das etwa der Fall, wenn die für die Unwirksamkeit einer ersten Kündigung sprechenden Gesichtspunkte bereits in Parallelverfahren festgestellt worden sind oder die Unwirksamkeit der Kündigung sich offensichtlich aus formellen Gründen ergibt, die Parteien sich aber dennoch auf den mit dieser Kündigung beabsichtigten - früheren - Auflösungstermin einigen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 24.1.2022 - 26 Ta (Kost) 6108/21) und die Parteien eine Abfindung vereinbaren und/oder eine andere für die klägerische Partei vorteilhafte Regelung im Rahmen des "Gesamtpakets" treffen.
Anders sind die Fälle zu bewerten, in denen sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu dem früheren Kündigungstermin einigen, ohne dass nennenswerte sonstige Leistungen seitens des Arbeitgebers in dem Vergleich (Gesamtpaket) enthalten sind. Das spricht dann dafür, dass die weitere Kündigung auch aus Sicht der Parteien im Rahmen des Vergleichsabschlusses ohne relevante Bedeutung war, weil sie von der Wirksamkeit der ersten bzw. einer früheren Kündigung ausgegangen sind oder ein Erfolg mit dem die frühere Kündigung betreffenden Kündigungsschutzantrag keine nennenswerten wirtschaftlichen Auswirkungen für die klagende Partei gehabt hätte.
Angesichts teilweiser wirtschaftlicher Identität führte der Vergleich nicht zu einer Erhöhung des Gegenstandswerts um drei, sondern nur um ein Bruttoeinkommen. Zu berücksichtigen war die Vergütungsdifferenz zwischen den beiden Beendigungsterminen, hier dem 31.8. und dem 30.9.2022 (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 28.2.2022 - 26 Ta (Kost) 6232/21).
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Die Parteien hatten u.a. über die Wirksamkeit von zwei Kündigungen gestritten, die zum 31.8. und zum 30.9.2022 ausgesprochen worden waren. Die Parteien haben sich im Rahmen eines Vergleichs auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.8.2022, die Zahlung von Vergütung und einer Abfindung geeinigt.
Das Arbeitsgericht hat bei der Berechnung des Gegenstandswerts nur den auf die erste Kündigung bezogenen Antrag berücksichtigt sowie die Zahlungsanträge. Es hat den Gegenstandswert für das Verfahren auf drei Bruttoeinkommen zuzüglich der mit den Zahlungsanträgen geltend gemachten Beträgen festgesetzt. Im Übrigen hat es einen Vergleichsmehrwert i.H.v. 2.924,77 € berücksichtigt. Die Beklagtenvertreter haben gegen den Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt. Sie waren der Ansicht, für die Folgekündigung sei ein weiteres Bruttoeinkommen zu berücksichtigen.
Das Arbeitsgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen. Das LAG hat den Gegenstandswert um ein Bruttoeinkommen erhöht.
Die Gründe:
Zur Berechnung des Gegenstandswerts sind zunächst die einzelnen Anträge zu bewerten. Sodann ist ein Gesamtgegenstandswert zu bilden. Bei der Bildung des Gesamtgegenstandswerts ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Werte für die einzelnen Anträge zusammenzurechnen sind. Hier ging es um zwei Kündigungsschutzanträge. Diese werden jeweils maximal mit einem Vierteljahreseinkommen bewertet, § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG. Bei der Frage, ob und in welchem Umfang Kündigungsschutzanträge zusammenzurechnen sind, kommt es darauf an, ob und inwieweit über sie entschieden worden ist oder sie Gegenstand eines Vergleichs geworden sind. Außerdem ist zu berücksichtigen, inwieweit wirtschaftlich derselbe Streitgegenstand betroffen ist.
Das Arbeitsgericht hat über die Anträge im Ergebnis nicht entschieden, denn die Parteien haben einen Vergleich geschlossen. Auch wenn die Parteien sich nicht auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu dem mit einer vorsorglichen Kündigung vorgesehenen Beendigungstermin einigen, kann meist davon ausgegangen werden, dass in einem Auflösungsvergleich sämtliche in das Verfahren eingeführte Beendigungstatbestände mitgeregelt worden sind. Gegenstand der Vergleichsverhandlungen sind regelmäßig alle Beendigungstatbestände.
Der gewählte Beendigungszeitpunkt wirkt sich im Rahmen des "Gesamtpakets" aus, in das in der Regel sämtliche Beendigungstatbestände als wertbildende Faktoren einfließen und damit jedenfalls materiell i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 GKG mit geregelt werden (vgl. LAG Baden-Württemberg 2.9.2016 - 5 Ta 101/16; LAG Berlin-Brandenburg 19.5.2021 - 17 Ta (Kost) 6041/21). Recht eindeutig ist das etwa der Fall, wenn die für die Unwirksamkeit einer ersten Kündigung sprechenden Gesichtspunkte bereits in Parallelverfahren festgestellt worden sind oder die Unwirksamkeit der Kündigung sich offensichtlich aus formellen Gründen ergibt, die Parteien sich aber dennoch auf den mit dieser Kündigung beabsichtigten - früheren - Auflösungstermin einigen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 24.1.2022 - 26 Ta (Kost) 6108/21) und die Parteien eine Abfindung vereinbaren und/oder eine andere für die klägerische Partei vorteilhafte Regelung im Rahmen des "Gesamtpakets" treffen.
Anders sind die Fälle zu bewerten, in denen sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu dem früheren Kündigungstermin einigen, ohne dass nennenswerte sonstige Leistungen seitens des Arbeitgebers in dem Vergleich (Gesamtpaket) enthalten sind. Das spricht dann dafür, dass die weitere Kündigung auch aus Sicht der Parteien im Rahmen des Vergleichsabschlusses ohne relevante Bedeutung war, weil sie von der Wirksamkeit der ersten bzw. einer früheren Kündigung ausgegangen sind oder ein Erfolg mit dem die frühere Kündigung betreffenden Kündigungsschutzantrag keine nennenswerten wirtschaftlichen Auswirkungen für die klagende Partei gehabt hätte.
Angesichts teilweiser wirtschaftlicher Identität führte der Vergleich nicht zu einer Erhöhung des Gegenstandswerts um drei, sondern nur um ein Bruttoeinkommen. Zu berücksichtigen war die Vergütungsdifferenz zwischen den beiden Beendigungsterminen, hier dem 31.8. und dem 30.9.2022 (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 28.2.2022 - 26 Ta (Kost) 6232/21).
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