06.10.2016

Grobe Beleidigung von Vorgesetzten mittels Emoticons rechtfertigt nicht unbedingt eine Kündigung

Beleidigt ein Arbeitnehmer auf Facebook Vorgesetzte mittels der Verwendung sog. Emoticons, so rechtfertigt dies nicht in jedem Fall eine Kündigung. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass unter dem Schutz der Anonymität in sozialen Netzwerken deutlich heftiger "vom Leder gezogen wird" als in persönlichen Gesprächen und nicht jedem bewusst ist, welche Außenwirkungen solche Beleidigungen entfalten können. Daher kann im Einzelfall vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich sein, um dem Arbeitnehmer die Pflichtverletzung deutlich vor Augen zu führen.

LAG Baden-Württemberg 22.6.2016, 4 Sa 5/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger hat sich an einem Gespräch auf der öffentlich einsehbaren Facebook-Chronik eines Kollegen beteiligt, der über seine Krankschreibung wegen eines Arbeitsunfalls berichtet hatte. In diesem Gespräch wurden überwiegend nur Spitznamen gebraucht. Unter anderem äußerte sich der Kläger wie folgt:

"Das fette (Emoticon: Schwein) dreht durch!!! (Emoticons: gehässig lachende Smileys) (...) und der (Emoticon: Bär)kopf auch!!! (Emoticons: gehässig lachende Smileys)."

Die beklagte Arbeitgeberin ging davon aus, dass mit den so bezeichneten Personen zwei Vorgesetzte des Klägers gemeint waren, darunter einer, der sehr korpulent ist und ein anderer der krankheitsbedingt eine sehr breite Stirnfront sowie eine breite Nase und breitere Hände hat. Er kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen dieser Äußerungen auf Facebook fristlos und hilfsweise fristgerecht.

Die hiergegen gerichtete Klage des Klägers hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg.

Die Gründe:
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht wirksam gekündigt. Sowohl vor Ausspruch einer außerordentlichen als auch einer ordentlichen Kündigung hätte der Kläger erfolglos abgemahnt werden müssen.

Wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass mit den Äußerungen die zwei Vorgesetzten gemeint waren, liegt zwar eine grobe Beleidigung vor, die an sich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Die Kündigung erweist sich jedoch im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung als nicht erforderlich. Das ergibt sich insbesondere aus folgenden Aspekten:

Angesichts der tatsächlichen Gesamtumstände ist davon auszugehen, dass dem Kläger die Tragweite seines Tuns und die Reichweite seiner Beleidigungen nicht bewusst war. Er ging offenkundig davon aus, dass die von ihm verwendeten Codes und Spitznamen nicht allgemein verständlich waren, sondern nur für Eingeweihte, insbesondere für den Chronikinhaber.

Die Beleidigungen sind zudem Ausdruck des vielfach zu beobachtenden Phänomens, dass unter dem Schutz der Anonymität der sozialen Netzwerke deutlich heftiger "vom Leder gezogen" wird als in einem persönlichen Gespräch. Dies rechtfertigt das Verhalten des Klägers zwar nicht, macht aber deutlich, dass eine Abmahnung nicht von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Es wäre vielmehr zu erwarten gewesen, dass eine Abmahnung dem Kläger die Außenwirkung seiner Beleidigungen deutlich gemacht und er künftig solche Beleidigungen voraussichtlich unterlassen hätte.

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger 16 Jahre lang beanstandungsfrei für die Beklagte tätig war und daher einen Vertrauensbonus aufgebaut hat. Dieses Vertrauen erscheint durch den einmaligen Verstoß nicht als endgültig zerstört.

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