Haben bei Leihmutterschaft beide Mütter Anspruch auf Mutterschaftsurlaub? EuGH-Generalanwälte uneins
EuGH-Generalanwälte 26.9.2013, C-167/12 und C-363/12Die EuGH-Generalanwältin Kokott hatte über den Fall eines englischen Paares zu entscheiden, das im Wege einer - in England erlaubten - Leihmutterschaft Eltern eines Kindes geworden war. Das Kind stammt genetisch nur vom Mann ab. Die Frau übernahm es unmittelbar nach der Geburt, das Kind als Mutter zu versorgen und zu stillen. Wenige Monate nach der Geburt wurde dem Paar die dauerhafte elterliche Verantwortung für das Kind übertragen. Mit ihrer Klage machte die Frau einen Anspruch gegen ihren Arbeitgeber auf Mutterschaftsurlaub geltend. (Rs. C-167/12)
Im zweiten Fall, der dem EuGH-Generalanwalt Wahl zur Prüfung vorlag, hatte ein irisches Ehepaar mithilfe einer Leihmutter ein Kind bekommen. Das Kind war in Kalifornien geboren worden und stammt genetisch von dem Ehepaar ab. Während das irische Recht bezahlten Mutterschafts- und Adoptionsurlaub vorsieht, gibt es hier keine ausdrückliche Regelung für Leihmutter-Fälle. Mit ihrer Klage machte die Ehefrau einen Anspruch auf bezahlten Mutterschaftsurlaub geltend. (Rs. C-363/12)
Die beiden EuGH-Generalanwälte sind unterschiedlicher Ansicht, ob sich bei Leihmutterschaft aus dem Unionsrecht ein Anspruch auf Mutterschaftsurlaub für beide Mütter ableiten lässt.
+++ Die Gründe:
Rs. C-167/12:
Die EuGH-Generalanwältin Kokott hat sich grds. für einen Mutterschaftsurlaub für beide Mütter ausgesprochen. Das gelte jedenfalls dann, wenn
- die Sorgemutter das Kind nach der Geburt in ihre Obhut nehme,
- im betreffenden Mitgliedstaat die Ersatzmutterschaft zulässig sei und
- deren nationale Voraussetzungen erfüllt seien.
Der Anspruch bestehe auch, wenn die Sorgemutter das Kind nach der Geburt nicht tatsächlich stille. Mutterschaftsurlaub, den die Ersatzmutter genommenen habe, sei zwar abzuziehen, der Mutterschaftsurlaub der Sorgemutter müsse jedoch mindestens zwei Wochen betragen.
Zur Begründung verweist die Generalanwältin darauf, dass der Unionsgesetzgeber das 1992 noch wenig verbreitete Phänomen der Leihmutterschaft offenbar nicht bedacht habe. Der grundrechtlich verankerte Zweck des Mutterschaftsurlaubs gebiete jedoch auch einen Schutz der Sorgemutter, und zwar unabhängig davon, ob sie das Kind stille. Dieser bezahlte Urlaub diene nämlich nicht nur dem Schutz der Arbeitnehmerin während der Schwangerschaft, im Wochenbett oder während der Stillzeit, sondern solle auch die ungestörte Entwicklung der Mutter-Kind Beziehung gewährleisten.
Rs. C-363/12:
Der EuGH-Generalanwalt Wahl hat dagegen einen unionsrechtlichen Anspruch auf bezahlten Mutterschaftsurlaub für die Sorgemutter verneint. Das Unionsrecht sehe einen solchen Anspruch nicht vor. Der von der Richtlinie gewährte Schutz gelte für Frauen, die ein Kind geboren hätten. Da die Richtlinie darauf abziele, schwangere Arbeitnehmerinnen in ihrem labilen Gesundheitszustand zu schützen, seien die Vorschriften über den Mutterschaftsurlaub auch nicht entsprechend auf Sorgemütter anzuwenden.
Der Generalanwalt sieht zwar eine gewisse Paralle zur Adoptivelternschaft. Jedoch hätten die Mitgliedstaaten bisher keine Rechtsvorschriften erlassen, um den Anspruch von Adoptiveltern auf bezahlten Urlaub zu harmonisieren. Daher sei es Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob eventuelle nationale Regelungen über einen Mutterschaftsurlaub für Adoptivmütter auf Sorgemütter übertragbar seien.
+++ Hinweis:
Die Schlussanträge eines Generalanwalts sind für den EuGH nicht bindend. Die Richter des Gerichtshofs treten nunmehr in die Beratung ein. Die Urteile werden zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.
+++ Linkhinweis:
Für den auf der Homepage des EuGH veröffentlichen Schlussantrag der Generalanwältin Kokott in der Rs. C-167/12 klicken Sie bitte hier.
Den Schlussantrag des Generalanwalts Wahl in der Rs. C-363/12 finden Sie hier.