05.12.2011

Heimliche Übertragung einer Betriebsratssitzung kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen

Überträgt ein Betriebsratsmitglied während einer Betriebsratssitzung die Gespräche heimlich per Handy an einen Außenstehenden, so liegt hierin sowohl eine Amtspflicht- als auch eine Vertragspflichtverletzung, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Das gilt auch, wenn lediglich ein dringender Verdacht besteht. Im Einzelfall kann allerdings nach dem Ergebnis der Interessenabwägung auch nur eine Abmahnung gerechtfertigt sein.

LAG Baden-Württemberg 9.9.2011, 17 Sa 16/11
Der Sachverhalt:
Die 1956 geborene Klägerin war seit über 20 Jahren beanstandungsfrei in dem beklagten Kaufhaus als Verkäuferin tätig.

Seit Mai 2010 war die Klägerin Mitglied des beim Beklagten gebildeten Betriebsrats. Kurz vor Beginn der ersten Betriebsratssitzung unter ihrer Beteiligung war sie auf ihrem Handy angerufen worden und hatte kurz den Sitzungsraum verlassen, um das Gespräch anzunehmen. Als sie zurückkam, meinte ihre Sitznachbarin bemerkt zu haben, dass die Handyverbindung noch nicht beendet worden war. Sie forderte deshalb die Klägerin auf, ihr das Handy zu zeigen. Wie die Klägerin auf diesen Vorwurf reagierte, ist streitig.

Der Beklagte kündigte der Klägerin nach ihrer Anhörung zu dem Vorwurf und nach Einholung der Zustimmung des Betriebsrats fristlos wegen Begehung einer Straftat, hilfsweise wegen des dringenden Verdachts einer Straftat. Er machte geltend, dass die heimliche Abhöraktion einen schwerwiegenden Vertrauensmissbrauch darstelle. Es sei den anderen Arbeitnehmern nicht zuzumuten, dass sie ohne ihr Wissen abgehört oder überwacht würden. Das Vertrauen in die Person und Integrität der Klägerin sei auf Dauer und unwiederbringlich gestört.

Die Klägerin bestritt die Vorwürfe. Ihre Kündigungsschutzklage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg.

Die Gründe:
Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nicht wirksam gekündigt.

Zwar stellt die heimliche Übertragung einer Betriebsratssitzung durch ein Betriebsratsmitglied an Dritte sowohl eine Amtspflicht- als auch eine Vertragspflichtverletzung dar und ist grds. geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen. Dies gilt auch, wenn die Abhöraktion nicht bewiesen ist, sondern lediglich der dringende Verdacht der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes besteht.

Im Rahmen der Interessenabwägung kann aber unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls eine Abmahnung als angemessene Maßnahme ausreichend sein. So lag der Fall hier. Im Rahmen der Interessenabwägung war zu berücksichtigen, dass die Klägerin seit über 20 Jahren beanstandungsfrei bei der Beklagten beschäftigt ist und es bei der vorgeworfenen Pflichtverletzung vorrangig um die Verletzung von Pflichten aus dem Betriebsratsamt geht.

Die Klägerin musste insbesondere nicht zwingend damit rechnen, dass der Beklagte nicht die Betroffenheit des Betriebsrats, der sich selbst durch ein Ausschlussverfahren schützen kann, sondern die Betroffenheit der Betriebsräte in ihrer Funktion als Arbeitnehmer in den Vordergrund stellen würde. Daher ist nicht auszuschließen, dass der Klägerin durch eine Abmahnung ihr Fehlverhalten so verdeutlicht werden kann, dass die Beklagte in Zukunft mit einer Wiederholung nicht zu rechnen hat.

LAG Baden-Württemberg
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