29.08.2012

Im Arbeitskampf können zugespitzte Äußerungen der Gewerkschaft zulässig sein

Arbeitgeber müssen sich im Arbeitskampf mitunter gefallen lassen, dass Gewerkschaftsvertreter und Arbeitnehmer ihnen während eines Streiks vorwerfen, dass sie "bescheißen" und "betrügen". Je nach Gesamtzusammenhang handelt es sich hierbei nicht um eine Tatsachenbehauptung im strafrechtlichen Sinn. Selbst derart zugespitzte Äußerungen können von der Meinungsfreiheit, die im Arbeitskampf auch der Gewerkschaft zusteht, gedeckt sein.

LAG 17.8.2012, 8 SaGa 14/12
Der Sachverhalt:
Ein Unternehmen der Ernährungsindustrie hatte Mitte 2009 einen "Tarifvertrag zur Zukunftssicherung" mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) geschlossen. Dieser sah zahlreiche Einbußen der Arbeitnehmer vor, etwa hinsichtlich des Urlaubsgeldes, der Urlaubstage, des Weihnachtsgeldes und der Entgelterhöhungen. Gleichzeitig war allerdings geregelt, dass ab dem 1.1.2012 die Entgelte des Flächentarifvertrags gelten.

Während der Laufzeit dieses Tarifvertrags wechselte das Unternehmen in eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft). 2012 kam es zu einem Arbeitskampf, in dessen Verlauf streikende Arbeitnehmer und ein Gewerkschaftssekretär dem Unternehmen in einem Sprechchor in Reimform vorwarfen, dass es sie "betrüge" bzw. "bescheiße". Hierbei waren weitere Gewerkschaftssekretäre der NGG anwesend, die nicht einschritten.

Das Unternehmen verlangte im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren von der NGG sowie ihren drei Vorstandsmitgliedern und zwei Gewerkschaftssekretären Unterlassung der näher bezeichneten Äußerungen bzw. die Einwirkung auf die Streikenden, solche Äußerungen zu unterlassen. Hiermit hatte es sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das Unternehmen hat gegen die Gewerkschaft keinen Anspruch auf Unterlassung der streitigen Äußerungen. Diese sind nach dem Gesamtzusammenhang nicht als Tatsachenbehauptungen im strafrechtlichen Sinn zu werten.

Mit den Äußerungen, die sicherlich zugespitzt waren, wollten die Arbeitnehmer lediglich zum Ausdruck bringen, dass sie sich angesichts des Wechsels des Arbeitgebers in eine OT-Mitgliedschaft "betrogen" gefühlt hätten. So  verstanden waren die Äußerungen von der Meinungsfreiheit, die im Arbeitskampf auch der Gewerkschaft zusteht, noch gedeckt.

Hinzukommt, dass der Gewerkschaftssekretär, der an den Äußerungen aktiv beteiligt war, sich inzwischen in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindet. Dass die weiteren Verfügungsbeklagten sich aktiv an den Äußerungen beteiligt hatten, hat der Arbeitgeber nicht dargelegt.

LAG Düsseldorf PM vom 17.8.2012
Zurück