17.11.2016

Keine Diskriminierung eines schwerbehinderten Bewerbers trotz Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch

Unterlässt es ein öffentlicher Arbeitgeber entgegen § 82 Satz 2 SGB IX, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, so indiziert das nicht in jedem Fall eine entschädigungspflichtige Diskriminierung wegen der Behinderung. So scheidet eine Indizwirkung i.S.v. § 22 AGG regelmäßig aus, wenn es dem Arbeitgeber gerade um die Einstellung eines Menschen mit eigener Behinderung geht.

ArbG Ulm 2.8.2016, 5 Ca 86/16
Der Sachverhalt:
Die beklagte Stadt hatte eine Stelle für "eine/-n Kommunale/-n Behindertenbeauftragte/-n" ausgeschrieben. Voraussetzung für die Tätigkeit waren "ein abgeschlossenes Studium als Diplomsozialpädagoge/-in; Dipl Sozialarbeiter/-in; Dipl. Verwaltungswirt/-in (FH) oder Public Management oder Public Arts oder einschlägige Fach-/Hochschulausbildung" und "eine eigene Behinderung oder eine enge Beziehung zu einem nahen Angehörigen mit einer Behinderung".

Der Kläger ist mit einem Grad von 100 schwerbehindert. Er hat Geschichts- und Sozialwissenschaften studiert, das Studium mit dem Ersten Staatsexamen abgeschlossen und keine unmittelbar einschlägigen Vorerfahrungen. Die Beklagte lud ihn nicht zu einem Bewerbungsgespräch ein und teilte ihm mit, dass sie sich für einen anderen Bewerber entschieden habe. Daraufhin verlangte der Kläger eine angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch indiziere eine Benachteiligung wegen der Behinderung.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab.

Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Dabei kann dahinstehen, ob dem Kläger, wie die Beklagte meint, die fachliche Eignung für die zu besetzende Stelle offensichtlich fehlt. Er hat schon keine Indizien vorgetragen, die nach § 22 AGG eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen.

Die Beklagte hat ausweislich der Stellenausschreibung gerade Mitarbeiter "mit eigener Behinderung" (oder einem anderen engen Bezug zu einem Menschen mit Behinderung) gesucht. Geht es aber einem Arbeitgeber vorzugsweise um die Einstellung eines Menschen mit eigener Behinderung, kann die Vermutung, der Arbeitgeber benachteilige einen (schwer-)behinderten Menschen, weil er seiner Pflicht nach § 82 Satz 2 SGB IX nicht nachgekommen ist, nicht greifen.

Das gilt hier umso mehr, als die tatsächliche Eignung des Klägers für die ausgeschriebene Stelle vorliegend alles andere als naheliegend ist und daher der Vortrag der Beklagten, sie halte den Kläger für offensichtlich ungeeignet, glaubhaft ist und das eigentliche Motiv für das Unterlassen der Einladung darstellt.

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