14.05.2024

Keine Erstattung von Anwaltskosten wegen später Mandatierung?

Sind die Anwaltsgebühren im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch dann erstattungsfähig, wenn der Anwalt erst in der Berufungsinstanz eingeschaltet wurde und die Berufungsbegründung sogar schon abgegeben war? Ja, urteilte das BAG entgegen den Vorinstanzen - wenn noch die Möglichkeit zu neuem, sinnvollen Sachvortrag besteht.

BAG v. 18.4.2024 - 4 AZB 24/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren für die Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten in der Berufungsinstanz. Der Kläger machte im Ausgangsverfahren die Unwirksamkeit einer von dem Beklagten als Insolvenzverwalter seiner Arbeitgeberin ausgesprochenen Kündigung geltend.

Das ArbG wies die Klage ab. Dagegen legte der Kläger durch die DGB Rechtsschutz GmbH, die ihn bereits erstinstanzlich vertreten hatte, Berufung ein und begründete diese. Nach Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung beauftragte der Kläger zusätzlich seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Prozessvertretung. Dieser bestellte sich zum weiteren Prozessbevollmächtigten, reichte im Verlauf des Verfahrens mehrere Schriftsätze ein und vertrat den Kläger - jeweils gemeinsam mit einem Vertreter der DGB Rechtsschutz GmbH - in der mündlichen Verhandlung beim LAG. Das LAG gab der Kündigungsschutzklage statt und legte die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten zu 75 % auf.

ArbG und LAG verneinten in der Folge die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten mit der Begründung, die Beauftragung des Rechtsanwalts als zusätzlichem Prozessbevollmächtigten nach Berufungseinlegung und -begründung sei nicht als zweckentsprechend anzusehen, da im Zeitpunkt der Beauftragung neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur noch unter eingeschränkten Voraussetzungen vorgebracht werden konnten.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers vor dem BAG hatte Erfolg.

Die Gründe:
Die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den Kläger war nicht rechtsmissbräuchlich. Die Mandatierung erfolgte zwar erst nach Eingang der Berufungsbegründung und -erwiderung beim LAG sowie der Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung und damit zu einem Zeitpunkt, in dem neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur noch unter eingeschränkten Voraussetzungen vorgebracht werden konnten (§ 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG).

Diese Umstände rechtfertigen aber entgegen der Auffassung des LAG nicht die Annahme, die nachträgliche Mandatierung sei als nicht zweckentsprechend anzusehen. Das gilt schon deshalb, weil die Mandatierung vier Monate vor dem anberaumten Termin erfolgte. In dieser Situation durfte der Kläger von der Möglichkeit neuen Sachvortrags ausgehen. Das wird im Übrigen durch den weiteren Prozessverlauf bestätigt. Der Kläger hatte zwar erstinstanzlich einen erforderlichen Stilllegungsbeschluss des Beklagten in Abrede gestellt, dessen Existenz aber in der Berufungsbegründung eingeräumt. Der Rechtsanwalt hat den Stilllegungsbeschluss erneut bestritten und damit seinen Sachvortrag geändert. Diesen geänderten Vortrag hat das LAG berücksichtigt und der Kündigungsschutzklage mit der Begründung stattgegeben, der Beklagte habe nicht nachgewiesen, im Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs die Stilllegung des ganzen Betriebs der Insolvenzschuldnerin ernstlich und endgültig geplant zu haben.

Der Erstattungsfähigkeit der Kosten steht nicht entgegen, dass das Mandatsverhältnis mit der DGB Rechtsschutz GmbH und deren Prozessvertretung von dem Kläger bei Mandatierung des jetzigen Prozessbevollmächtigten nicht beendet wurde. Das lässt die Hinzuziehung des Rechtsanwalts nicht als offensichtlich nutzlos erscheinen. § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO findet keine Anwendung.

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Rechtsprechung:
Keine Berücksichtigung materieller Rechtsfragen im Kostenfestsetzungsverfahren - Wirksamkeit eines Anwaltsvertrages nicht vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen
LAG Berlin-Brandenburg vom 7.9.2020 - 26 TA (KOST) 6075/20

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