Kettenbefristungen in der Wissenschaft: 16 Befristungen über elf Jahre sind nicht ohne weiteres rechtsmissbräuchlich
Hessisches LAG 5.8.2015, 2 Sa 1210/14Der Kläger ist Mathematiker. Er war aufgrund von 16 befristeten Verträgen, die sich über einen Zeitraum von elf Jahren jeweils aneinander anschlossen, bei der beklagten Universität Gießen als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Seine Stelle wurde aus Drittmitteln finanziert. Diese waren nur zeitlich begrenzt vom Land Hessen als Träger der Universität im Rahmen eines Projektes zur Verfügung gestellt worden.
Die Entfristungsklage hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hob das LAG diese Entscheidung auf und wies die Klage ab, ohne die Revision zum BAG zuzulassen.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf unbefristete Weiterbeschäftigung. Stellen für wissenschaftliches Personal dürfen grds. für eine bestimmte Aufgabe befristet besetzt werden, wenn sie aus Drittmitteln finanziert werden, die nicht dauerhaft zur Verfügung stehen.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist eine Befristung wegen Drittmitteln auch dann zulässig, wenn das Land selbst der Universität die Drittmittel zur Verfügung stellt. Auch das Land ist "Dritter" i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 WissZeitVG. Das ergibt sich aus der Begründung dieser Regelung im Gesetzgebungsverfahren (BT-Drs. 16/3438, S. 13 f.).
Die letzte Befristung des Arbeitsvertrags mit dem Kläger ist auch nicht angesichts der vorangegangenen Zahl und Dauer der Befristungen wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig. Die in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützte Freiheit von Forschung und Lehre lässt unter den hier vorliegenden Umständen auch eine 16-malige Befristung über insgesamt elf Jahre zu.