Klage des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf Zahlung einer Corona-Prämie: Arbeitsgerichte zuständig
LAG Bremen v. 23.4.2021 - 3 Ta 10/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die zutreffende Berechnung der Corona-Prämie nach § 150a SGB XI. Die Klägerin ist seit 2014 mit einer monatlichen Arbeitszeit von 130 Stunden als Pflegehilfe bei der Beklagten beschäftigt. Ihre Tätigkeit besteht in der direkten Pflege und in der Betreuung von Pflegebedürftigen. Die Beklagte zahlte an die Klägerin eine Corona-Prämie nach § 150a SGBXI i.H.v. 960,- €. Bei der Berechnung wurden die Arbeitszeit der Klägerin sowie die Aufstockung durch das Land Bremen gem. § 150a Abs. 9 SGB XI berücksichtigt. Die Beklagte teilte die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen der Prämienberechnung zudem in "Leistungen für den Pflegedienst" und in "Leistungen aufgrund privatrechtlicher Vereinbarung mit den Kunden" auf, wobei sie die Corona-Prämie nur für erstgenannte Leistungen zahlte, welche nach ihrer Berechnung 75 % der Gesamtarbeitsleistung ausmachen.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin die restlichen 25 % der Corona-Prämie (325,- €) geltend. Sie ist der Auffassung, dass ihr die Prämie bezogen auf ihre gesamte Arbeitsleistung zustehe.
Die Beklagte rügte die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit und vertritt die Auffassung, dass es sich um eine Angelegenheit der sozialen Pflegeversicherung i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG handele mit der Folge, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet sei.
Das ArbG erklärte sich daraufhin für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Sozialgericht. Das LAG hat der dagegen erhobenen Beschwerde stattgegeben. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage wurde die weitere Beschwerde zugelassen.
Die Gründe:
Für die vorliegende Fallkonstellation ist die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs.1 Nr.3 a) ArbGG gegeben. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Demgegenüber entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach näherer Maßgabe des § 51 Abs. 1 SGG über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten und ausnahmsweise gemäß § 51 Abs. 2 S. 1 SGG auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ob eine Streitigkeit als öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich zu beurteilen ist, richtet sich nach dem Charakter des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Der Charakter des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses bemisst sich nach dem erkennbaren Ziel des Rechtsschutzantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts. Maßgeblich für die Rechtswegfrage ist also, ob die gerichtliche Entscheidung über den Klageanspruch, d.h. über den geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch, nach öffentlichem Recht oder aber nach bürgerlichem Recht zu treffen ist.
Bei Beachtung dieser Grundsätze sprechen für die vorliegende Fallkonstellation die überzeugenderen Argumente für eine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen.
Nach dem Wortlaut des § 150 a I 1 SGB XI ist die Zahlungsgrundlage als Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber ausgestaltet. Die jeweilige Pflegeeinrichtung als Arbeitgeber zahlt die Prämie an ihre Beschäftigten aus. Zwar muss der Arbeitgeber erst zahlen, wenn die Pflegekasse die dazu erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt hat. Die Zahlungspflicht ist in diesen Verträgen jedoch als Gegenleistungspflicht untrennbar mit diesem Rechtsverhältnis verbunden. Die privatrechtliche Natur dieses Anspruchs ändert sich nicht dadurch, dass der Anspruch im SGB XI geregelt ist. Davon zu unterscheiden ist das öffentlich-rechtliche Verhältnis von Arbeitgeber zum Pflegeversicherer. Der zwischen ihnen geschlossene Versorgungsvertrag (vgl. § 72 SGB XI) ist als öffentlich-rechtlicher Vertrag i.S.d § 53 SGB X zu qualifizieren. Vorliegend streiten jedoch nicht Arbeitgeber und Pflegeversicherer über den Versorgungsvertrag, sondern Arbeitnehmerin und Arbeitgeber über die Höhe eines privatrechtlichen Anspruchs. Daher handelt es sich auch nicht um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 51 Abs. 2 S. 1 SGG. Dies zeigt auch der Gesetzeszweck, wonach mit der Prämie die besondere Wertschätzung für die Leistungen der Beschäftigten ausgedrückt und den besonderen - mit der Arbeitsleistung verbundenen - physischen und psychischen Belastungen sowie dem erhöhten Risiko, selbst an Covid-19 zu erkranken, Rechnung getragen werden soll. Auch eine höhere Sachnähe der Sozialgerichte für eine solche Streitigkeit ist nicht ersichtlich.
LAG Bremen online
Die Parteien streiten über die zutreffende Berechnung der Corona-Prämie nach § 150a SGB XI. Die Klägerin ist seit 2014 mit einer monatlichen Arbeitszeit von 130 Stunden als Pflegehilfe bei der Beklagten beschäftigt. Ihre Tätigkeit besteht in der direkten Pflege und in der Betreuung von Pflegebedürftigen. Die Beklagte zahlte an die Klägerin eine Corona-Prämie nach § 150a SGBXI i.H.v. 960,- €. Bei der Berechnung wurden die Arbeitszeit der Klägerin sowie die Aufstockung durch das Land Bremen gem. § 150a Abs. 9 SGB XI berücksichtigt. Die Beklagte teilte die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen der Prämienberechnung zudem in "Leistungen für den Pflegedienst" und in "Leistungen aufgrund privatrechtlicher Vereinbarung mit den Kunden" auf, wobei sie die Corona-Prämie nur für erstgenannte Leistungen zahlte, welche nach ihrer Berechnung 75 % der Gesamtarbeitsleistung ausmachen.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin die restlichen 25 % der Corona-Prämie (325,- €) geltend. Sie ist der Auffassung, dass ihr die Prämie bezogen auf ihre gesamte Arbeitsleistung zustehe.
Die Beklagte rügte die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit und vertritt die Auffassung, dass es sich um eine Angelegenheit der sozialen Pflegeversicherung i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG handele mit der Folge, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet sei.
Das ArbG erklärte sich daraufhin für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Sozialgericht. Das LAG hat der dagegen erhobenen Beschwerde stattgegeben. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage wurde die weitere Beschwerde zugelassen.
Die Gründe:
Für die vorliegende Fallkonstellation ist die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs.1 Nr.3 a) ArbGG gegeben. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Demgegenüber entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach näherer Maßgabe des § 51 Abs. 1 SGG über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten und ausnahmsweise gemäß § 51 Abs. 2 S. 1 SGG auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ob eine Streitigkeit als öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich zu beurteilen ist, richtet sich nach dem Charakter des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Der Charakter des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses bemisst sich nach dem erkennbaren Ziel des Rechtsschutzantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts. Maßgeblich für die Rechtswegfrage ist also, ob die gerichtliche Entscheidung über den Klageanspruch, d.h. über den geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruch, nach öffentlichem Recht oder aber nach bürgerlichem Recht zu treffen ist.
Bei Beachtung dieser Grundsätze sprechen für die vorliegende Fallkonstellation die überzeugenderen Argumente für eine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen.
Nach dem Wortlaut des § 150 a I 1 SGB XI ist die Zahlungsgrundlage als Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber ausgestaltet. Die jeweilige Pflegeeinrichtung als Arbeitgeber zahlt die Prämie an ihre Beschäftigten aus. Zwar muss der Arbeitgeber erst zahlen, wenn die Pflegekasse die dazu erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt hat. Die Zahlungspflicht ist in diesen Verträgen jedoch als Gegenleistungspflicht untrennbar mit diesem Rechtsverhältnis verbunden. Die privatrechtliche Natur dieses Anspruchs ändert sich nicht dadurch, dass der Anspruch im SGB XI geregelt ist. Davon zu unterscheiden ist das öffentlich-rechtliche Verhältnis von Arbeitgeber zum Pflegeversicherer. Der zwischen ihnen geschlossene Versorgungsvertrag (vgl. § 72 SGB XI) ist als öffentlich-rechtlicher Vertrag i.S.d § 53 SGB X zu qualifizieren. Vorliegend streiten jedoch nicht Arbeitgeber und Pflegeversicherer über den Versorgungsvertrag, sondern Arbeitnehmerin und Arbeitgeber über die Höhe eines privatrechtlichen Anspruchs. Daher handelt es sich auch nicht um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 51 Abs. 2 S. 1 SGG. Dies zeigt auch der Gesetzeszweck, wonach mit der Prämie die besondere Wertschätzung für die Leistungen der Beschäftigten ausgedrückt und den besonderen - mit der Arbeitsleistung verbundenen - physischen und psychischen Belastungen sowie dem erhöhten Risiko, selbst an Covid-19 zu erkranken, Rechnung getragen werden soll. Auch eine höhere Sachnähe der Sozialgerichte für eine solche Streitigkeit ist nicht ersichtlich.