Klage gegen Betriebsprüfungsbescheid: Wegen Vermögenslosigkeit gelöschte GmbH nicht beteiligungsfähig
LSG Berlin-Brandenburg v. 8.6.2022 - L 28 BA 29/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, eine im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöschte Kapitalgesellschaft, wendet sich gegen einen Betriebsprüfungsbescheid und die hiermit festgesetzte Forderung. Die Klägerin war im Jahr 2012 als GmbH mit dem Geschäftszweck der Ausführung von Hoch- und Tiefbauarbeiten errichtet worden. Sie hatte ihren Sitz in B. Zum Geschäftsführer mit Einzelvertretungsberechtigung bestellt war ausweislich des Auszugs aus dem Handelsregister B des Amtsgerichts der 1969 geborene B sowie in der Zeit von April 2012 bis März 2013 darüber hinaus S.
Nach Ermittlungen durch das Hauptzollamt, der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Trier gegen die früheren Geschäftsführer B und S und erfolgter Unterrichtung der Beklagten führte diese bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Nach Anhörung stellte sie der Klägerin gegenüber mit dem B bekanntgegebenen Bescheid vom 15.7.2014 eine Nachforderung zur Sozialversicherung i.H.v. insgesamt rd. 35.000 € für die Zeit von November 2012 bis März 2013 einschließlich Säumniszuschlägen i.H.v. rd. 5.000 € fest. In diesem Zeitraum seien Leistungen für verschiedene Auftraggeber i.H.v. insgesamt rd. 105.000 € ausgeführt und abgerechnet worden. Gemeldet worden seien Entgelte i.H.v. insgesamt rd. 15.000 €. Unter Berücksichtigung des erbrachten Nettoumsatzes von rd. 90.000 € sei jedoch von Netto-Lohnkosten i.H.v. rd. 60.000 € auszugehen.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung könne in lohnintensiven Branchen als Anhaltspunkt ein Lohnkostenanteil von 2/3 des Nettoumsatzes angenommen werden. Da von der Klägerin keine vollständigen Aufzeichnungen vorgelegt worden seien, die Aufschluss über alle Lohnzahlungen geben würden, könne die Ermittlung der Entgelte nur geschätzt werden. Zu ihren Gunsten würden als Berechnungsgrundlage für die ihr, der Beklagten, nicht namentlich bekannten Arbeitnehmer nicht die Nettosummen aus den Rechnungen als Lohnquote angesetzt, sondern lediglich 66,66 % der um die gemeldeten Entgelte verminderten Nettoumsätze (rd. 60.000 €). Die von der Klägerin beschäftigten Personen hätten in den für sie ausgeübten Beschäftigungen der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Rentenversicherung sowie der Beitragspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen. Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen gelte ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart.
Die Klägerin wurde wegen Vermögenslosigkeit am 3.8.2015 von Amts wegen aus dem Handelsregister des Amtsgerichts gelöscht und das Registerblatt geschlossen. Mit der am 4.11.2015 erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, eine zivilrechtlich voll beendete Gesellschaft sei so lange als fortbestehend anzusehen, wie sie noch steuerliche Pflichten zu erfüllen habe oder sie Steuer- bzw. Beitragsbescheide angreife. Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 15.7.2014 sei offensichtlich rechtswidrig. Eine Lohnquote von 16,74 % unter Berücksichtigung der gemeldeten Entgelte sei plausibel. Die Schätzung der Sozialabgabe sei offensichtlich falsch. Mit Ablauf des 31.12.2017 sei der Beitragsbescheid verfassungswidrig geworden, da seit dem 1.1.2018 alle denkbaren Haftungsansprüche verjährt seien.
Das SG wies die Klage ab. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem LSG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin bei Klageerhebung nicht mehr beteiligungsfähig war, nachdem sie zuvor von Amts wegen gem. § 394 Abs. 1 Satz 1 FamFG aufgrund von Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht worden war, mit der die Auflösung der GmbH verbunden war (§ 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG).
Mit der Eintragung der Auflösung, die hier am 3.8.2015 erfolgt ist, verlieren die bisherigen gesetzlichen Vertreter ihre Vertretungsbefugnis und die Gesellschafterversammlung die Befugnis, neue Organe zu bestellen. Durch die Vorschrift soll das Handelsregister zum Schutz des Rechtsverkehrs von vermögenslosen Gesellschaften bereinigt werden, weil durch die weiter bestehende Eintragung der unzutreffende Eindruck erweckt wird, die Gesellschaft verfüge noch über Haftkapital und könne am Rechtsverkehr teilnehmen. Die Löschung ist vorzunehmen, wenn die Gesellschaft vermögenslos ist, wenn sie mithin über keine Vermögenswerte mehr verfügt, die für eine Gläubigerbefriedigung oder für eine Verteilung unter den Gesellschaftern in Betracht kommen.
Gem. § 70 Nr. 1 SGG sind neben natürlichen auch juristische Personen fähig, am sozialgerichtlichen Verfahren beteiligt zu sein (Parteifähigkeit), zu denen auch eine GmbH gehört. Mit der Löschung von Amts wegen aufgrund von Vermögenslosigkeit (mangels Durchführung eines Insolvenzverfahrens) nach § 394 Abs. 1 Satz 1 FamFG gem. § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG hat die Klägerin indes ihre vormals durch § 13 Abs. 1 GmbH begründete Rechtsfähigkeit verloren und damit auch ihre Fähigkeit, Partei bzw. Beteiligte eines Rechtsstreits zu sein.
Soweit für die Klägerin geltend gemacht wird, der angefochtene Beitragsbescheid sei während des sozialgerichtlichen Verfahrens unwirksam geworden, nachdem hinsichtlich sämtlicher Haftungs- und Schadensersatzansprüche die Einrede der Verjährung erhoben worden sei, kann dies dahinstehen. Denn für die erhobene Anfechtungsklage gem. § 54 Abs. 1 SGG fehlte bereits im Zeitpunkt ihrer Erhebung das erforderliche Rechtsschutzinteresse, nachdem sich der der Klägerin gegenüber ergangene Beitragsbescheid mit dem Entfallen ihrer Rechtsfähigkeit auf sonstige Weise erledigt hat (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X), weil sie als Beteiligte des Sozialverwaltungsverfahrens i.S.v. §§ 10 Nr. 1, 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X nicht mehr existent war.
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Soweit für die Klägerin geltend gemacht wird, der angefochtene Beitragsbescheid sei während des sozialgerichtlichen Verfahrens unwirksam geworden, nachdem hinsichtlich sämtlicher Haftungs- und Schadensersatzansprüche die Einrede der Verjährung erhoben worden sei, kann dies dahinstehen. Denn für die erhobene Anfechtungsklage gem. § 54 Abs. 1 SGG fehlte bereits im Zeitpunkt ihrer Erhebung das erforderliche Rechtsschutzinteresse, nachdem sich der der Klägerin gegenüber ergangene Beitragsbescheid mit dem Entfallen ihrer Rechtsfähigkeit auf sonstige Weise erledigt hat (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X), weil sie als Beteiligte des Sozialverwaltungsverfahrens i.S.v. §§ 10 Nr. 1, 12 Abs. 1 Nr. 2 SGB X nicht mehr existent war.
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