16.01.2012

Kündigung eines Arbeitnehmers wegen HIV-Infektion kann wirksam sein und verstößt nicht zwingend gegen das AGG

Hat ein Arbeitgeber allgemein festgelegt, dass in einem bestimmten Bereich (hier: in der Medikamentenherstellung) keine erkrankten Arbeitnehmer eingesetzt werden dürfen, so kann er einem an HIV erkrankten Arbeitnehmer in der Probezeit regelmäßig ohne weiteres kündigen. Eine solche Kündigung ist nicht willkürlich und verstößt daher nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Hierin liegt auch keine entschädigungspflichtige Diskriminierung i.S.d. AGG.

LAG Berlin-Brandenburg 13.1.2012, 6 Sa 2159/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger war bei einem Pharmaunternehmen als chemisch-technischer Assistent beschäftigt und wurde bei der Herstellung von Medikamenten im "Reinbereich" eingesetzt. Der beklagte Arbeitgeber hatte für diesen Fertigungsbereich allgemein festgelegt, dass Arbeitnehmer mit Erkrankungen jedweder Art - insbesondere auch Arbeitnehmer mit HIV-Infektion - nicht beschäftigt werden dürfen.

Nachdem der Beklagte während der Probezeit des Klägers von dessen HIV-Infektion erfahren hatte, kündigte er das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend und verlangte hilfsweise eine Entschädigung nach dem AGG.

Das LAG wies die Klage insgesamt ab, ließ allerdings die Revision an das BAG zu.

Die Gründe:
Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wirksam gekündigt. Mangels Erfüllung der Wartezeit ist das Kündigungsschutzgesetz vorliegend nicht anwendbar. Die Kündigung musste daher nicht i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sein.

Die Kündigung war auch nicht willkürlich und verstößt daher nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Der Beklagte durfte für den Bereich der Medikamentenherstellung den Einsatz erkrankter Arbeitnehmer allgemein ausschließen. Die Entscheidung, einen dauerhaft mit dem HI-Virus infizierten Arbeitnehmer zu entlassen, ist auf dieser Grundlage nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch aus §§ 21 Abs. 2, 15 Abs. 2, 7, 1 AGG auf Zahlung einer Entschädigung. Dabei kann offenbleiben, ob die bloße HIV-Infektion eine Behinderung i.S.v. § 1 AGG darstellt und ob der Kläger im Vergleich zu anderen erkrankten Arbeitnehmern ungleich behandelt worden ist. Denn eine etwaige Ungleichbehandlung des Klägers wäre jedenfalls wegen des Interesses des Beklagten, jedwede Beeinträchtigung der Medikamentenherstellung durch erkrankte Arbeitnehmer auszuschließen, gerechtfertigt.

LAG Berlin-Brandenburg PM Nr. 5 vom 13.1.2012
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