27.02.2023

Lachen eines ehrenamtlichen Richters in der Verhandlung: Amtsenthebung wegen grober Amtspflichtverletzung?

Auch das ungebührliche Verhalten eines ehrenamtlichen Richters in der mündlichen Verhandlung kann eine grobe Amtspflichtverletzung im Sinne von § 27 ArbGG darstellen. Handelt es sich nicht um eine beharrliche, sondern um eine singuläre Pflichtverletzung, muss diese so gewichtig sein, dass ein weiteres Festhalten am ehrenamtlichen Richterverhältnis dem Ansehen der Rechtspflege entgegensteht. Ein einmaliges Lachen eines ehrenamtlichen Richters stellt nach diesen Grundsätzen keine grobe Pflichtverletzung dar.

LAG Berlin-Brandenburg v. 28.12.2022 - 2 SHa-EhRi 7013/22
Der Sachverhalt:
In einem Rechtsstreit vor dem ArbG Berlin stritten die Parteien im Rahmen eines einstweiligen Verfahrens auf Erlass einer Beschäftigungsverfügung um die Abgabe einer sog. Konfliktmineraliendeklaration (CMRT) durch den Verfügungskläger zum Bezug von Rohstoffen bzw. weiterverarbeiteten Rohstoffen durch die Verfügungsbeklagte aus Konfliktregionen, in den Rohstoffe auch unter menschenrechtswidrigen Umständen wie Kinderarbeit gewonnen werden. Der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten erläuterte zu Beginn der Verhandlung die Bedeutung dieser Deklaration und in welchem Zusammenhang diese abzugeben sei, wobei er sich zur Verdeutlichung der Metapher der sog. "Rohstoffe wie Blutdiamanten" bediente.

In der sich daran anschließenden Verhandlung beanstandete der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten mehrfach, dass die Vorsitzende keinen Blickkontakt mit ihm im Dialog halte. Zum Ende der Verhandlung, als sich der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten in einem längeren Austausch mit dem Verfügungskläger befand, lachte der ehrenamtliche Richter A laut über die Ausführungen. Der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten empfand dieses Lachen als ein verletzend.

Daraufhin stellte der Verfahrensbevollmächtigte einen Befangenheitsantrag, dem stattgegeben wurde. Der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten beschwerte sich weiter über das Verhalten des ehrenamtlichen Richters und meinte, dass das Verhalten des ehrenamtlichen Richters eine verfassungswidrige Gesinnung wiedergebe und bat die Präsidentin des ArbG Berlin um Unterrichtung an die zuständige Stelle, worauf diese die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales in Berlin entsprechend unterrichtete.

Die Senatsverwaltung stellte daraufhin den Antrag, den ehrenamtlichen Richter A seines Amtes zu entheben. Das LAG hat den Antrag zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Die Gründe:
Eine grobe Amtspflichtverletzung liegt hier nicht vor. Denn die Amtspflichtverletzung muss in ihrem Ausmaß eine grobe sein. Die Bewertung der Verletzung als "grob" hat sowohl nach objektiven als auch nach subjektiven Gesichtspunkten zu erfolgen. Objektiv liegt eine grobe Pflichtverletzung dann vor, wenn es sich im konkreten Fall um einen schwerwiegenden Verstoß gegen eine Amtspflicht handelt, der es erforderlich macht, zur Wahrung des Ansehens der Rechtspflege den Richter seines Amtes zu entheben. Dies kann beispielsweise bei der wiederholten Verletzung der Pflicht zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses oder einer beständigen Verweigerung der Eidesleistung der Fall sein. Dazu kann aber auch das ungebührliche Verhalten bei den Sitzungen zählen. Grundsätzlich muss aber eine gewisse Beharrlichkeit der Pflichtverletzung vorliegen oder die singuläre Pflichtverletzung so gewichtig sein, dass ein weiteres Festhalten am ehrenamtlichen Richterverhältnis der Wahrung des Ansehens der Rechtspflege entgegensteht.

Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der ehrenamtliche Richter hat zwar im streitigen Verfügungsverfahren gelacht, und zwar sowohl im Zusammenhang mit dem Begriff der "Blutdiamanten" als auch im Zusammenhang mit der Forderung des Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten, dass die Vorsitzende Richterin ihn anzusehen hätte. Allerdings bleibt unwidersprochen und unstrittig, dass auch vor dem Befangenheitsantrag nicht nur der ehrenamtliche Richter, sondern auch andere Verfahrensbeteiligte gelacht haben. Eine Beharrlichkeit der Pflichtverletzung des seit 2019 berufenen ehrenamtlichen Richters oder gar eine verfassungsfeindliche Gesinnung kann die Kammer nicht erkennen. Endlich war die beschriebene Prozesssituation der Auslöser für das - pflichtwidrige - Lachen des ehrenamtlichen Richters und keine Ablehnung in Form eines Auslachens der berechtigten Forderung nach Deklaration von Rohstoffen, die unter menschenunwürdigen Umständen wie etwa Kinderarbeit gewonnen werden.

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