Längere Rentenbeitragszeiten für Teilzeitbeschäftigte verstoßen gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie
EuGH 22.11.2012, C-385/11Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hat 18 Jahre lang mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von vier Stunden in Spanien als Reinigungskraft gearbeitet und in dieser Zeit Rentenversicherungsbeiträge entrichtet.
Das spanische Recht setzt für den Bezug einer beitragsbezogenen Altersrente eine Mindestbeitragszeit von 15 Jahren voraus, wobei Teilzeitbeschäftigte - mit kleinen Erleichterungen - grds. umgerechnet 15 Jahre in Vollzeit gearbeitet haben müssen. Sie müssen also proportional längere Beschäftigungszeiten zurücklegen als Vollzeitbeschäftigte. Bei der Klägerin führte die Anwendung dieser Regelung dazu, dass lediglich drei Beitragsjahre anerkannt wurden. Sie hätte 100 Jahre lang arbeiten müssen, um die Mindestwartezeit von 15 Jahren nachweisen und eine Altersrente von monatlich 112,93 Euro beanspruchen zu können.
Das mit der Klage auf Zahlung einer Altersrente befasste spanische Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die spanische Regelung mit der Richtlinie über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (RL 79/7/EWG) vereinbar ist. Der EuGH verneinte dies.
Die Gründe:
Eine Regelung wie die hier streitige, wonach Teilzeitbeschäftigte, bei denen es sich überwiegend um Frauen handelt, gegenüber Vollzeitbeschäftigten proportional längere Beitragszeiten zurücklegen müssen, um einen Anspruch auf eine beitragsbezogene Altersrente zu haben, deren Höhe bereits proportional zu ihrer Arbeitszeit herabgesetzt ist, verstößt gegen die RL 79/7/EWG und stellt eine mittelbare Diskriminierung von Frauen dar.
Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine nationale Maßnahme zwar neutral formuliert ist, in ihrer Anwendung aber wesentlich mehr Frauen als Männer benachteiligt. Dies ist bei der hier im Streit stehenden spanischen Regelung der Fall, da in Spanien mindestens 80 % der Teilzeitbeschäftigten Frauen sind.
Die Regelung ist auch nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben. Sie dient zwar einem legitimen Ziel, nämlich dem Schutz des beitragsbezogenen Systems der sozialen Sicherheit. Es lässt aber nichts darauf schließen, dass die Regelung zur Erreichung dieses Ziels tatsächlich erforderlich ist bzw. dass es keine weniger belastenden Maßnahmen gibt, um das Ziel zu erreichen.
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