Langjährige Befristungen im Wissenschaftsbereich sind nicht ohne weiteres rechtsmissbräuchlich
BAG 8.6.2016, 7 AZR 259/14Die Klägerin war von 1989 bis 2011 aufgrund von elf befristeten Verträgen durchgehend an der Universität Leipzig beschäftigt. Bis 1996 dienten die Verträge dem Abschluss der Promotion und der Habilitation. Anschließend war die Klägerin elf Jahre lang als wissenschaftliche Assistentin im Rahmen eines Beamtenverhältnisses auf Zeit tätig. Danach schlossen sich zwei auf den Sachgrund der Drittmittelfinanzierung gestützte befristete Arbeitsverträge an.
Mit ihrer Befristungskontrollklage vertrat die Klägerin die Auffassung, dass die letzte Befristung rechtsunwirksam sei. Es lägen weder die Voraussetzungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) noch des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) vor. Sie sei mit Daueraufgaben beschäftigt gewesen.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab; das LAG gab ihr statt. Auf die Revision des beklagten Freistaats Sachsen hob das BAG das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.
Die Gründe:
Es kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob die letzte Befristung unwirksam war. Eine Unwirksamkeit ergibt sich allerdings nicht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs, sondern kommt nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen für eine Befristung durch den Sachgrund der Drittelmittelfinanzierung oder für einen anderen Sachgrund erfüllt sind. Dies kann nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden, weshalb die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das LAG zurückzuverweisen war.
Grundsätzlich kann die Befristung eines Arbeitsvertrags allerdings trotz Vorliegens eines Sachgrunds für die Befristung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam sein. Dies gilt auch für Befristungen im Hochschulbereich, die auf den Sachgrund der Drittmittelfinanzierung nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG gestützt werden.
Für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs können insbesondere eine sehr lange Gesamtdauer des Beschäftigungsverhältnisses und/oder eine außergewöhnlich hohe Anzahl von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber sprechen. Gegen eine missbräuchliche Ausnutzung der Befristungsmöglichkeit nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG sprechen hingegen Beschäftigungszeiten im Hochschulbereich, die der wissenschaftlichen Qualifikation des Mitarbeiters dienen, unabhängig davon, ob diesen Arbeits- oder Beamtenverhältnisse auf Zeit zugrunde liegen.
Nach diesen Grundsätzen scheidet im Streitfall ein institutioneller Rechtsmissbrauch aus, da ein erheblicher Zeitraum der befristeten Beschäftigung der wissenschaftlichen Qualifizierung der Klägerin diente.
Der Hintergrund:
Erst kürzlich hatte der Siebte Senat eine Grundsatzentscheidung zur Verlängerung der Befristung nach dem WissZeitVG gefällt. Danach setzt eine Vertragsverlängerung i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 4 WissZeitVG - anders als eine Vertragsverlängerung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG - nicht voraus, dass die Verlängerungsvereinbarung noch während der Laufzeit des zu verlängernden Vertrags getroffen wird. Es ist auch nicht erforderlich, dass sich die Laufzeit des neuen Vertrags unmittelbar an den vorherigen Vertrag anschließt. Vielmehr ist innerhalb der jeweiligen Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG auch der mehrfache Neuabschluss befristeter Arbeitsverträge zulässig (BAG, Urt. v. 9.12.2015 - 7 AZR 117/14).
Linkhinweise:
Der Volltext der aktuellen Entscheidung des Siebten Senats wird erst demnächst auf den Webseiten des BAG veröffentlicht. Für die Pressemitteilung des BAG klicken Sie bitte hier.
Für den Volltext des Urteils vom 9.12.2015 (Az.: 7 AZR 117/14) klicken Sie bitte hier.