28.06.2016

Mindestlohn-Sonderregelung für Zeitungszusteller ist wirksam

§ 24 Abs. 2 MiLoG, wonach Zeitungszusteller übergangsweise noch keinen Anspruch auf den vollen Mindeststundenlohn von 8,50 Euro haben, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Sonderregelung gilt auch für Arbeitnehmer, die in unregelmäßigen Abständen einzelne Werbeanzeigen in die auszutragenden Zeitungen einlegen müssen.

LAG Niedersachsen 27.4.2016, 13 Sa 848/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist bei der Beklagten als Zeitungszusteller beschäftigt. Er trägt werktags morgens Tageszeitungen und einmal in der Woche nachmittags ein Anzeigenblatt aus. Ausweislich seines Arbeitsvertrags ist er verpflichtet, "zusätzlich gelieferte Beilagen in das Anzeigenblatt einzulegen (...)". Hierzu kommt es nur selten (im streitigen Zeitraum von Januar bis Mai 2015 ein einziges Mal), wenn die maschinelle Einfügung eines Werbekatalogs in die Zeitungen ausnahmsweise technisch nicht möglich ist.

Mit seiner Klage verlangte der Kläger von der Beklagten die Differenz zwischen dem ausgezahlten Lohn von 6,38 Euro brutto pro Stunde und dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde. Die Ausnahmevorschrift für Zeitungszusteller gem. § 24 Abs. 2 MiLoG, wonach Zeitungszusteller erst ab dem 1.1.2017 die Zahlung des vollen gesetzlichen Mindestlohns verlangen könnten, sei wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG unwirksam. Sie greife zudem nicht ein, wenn - wie in seinem Fall - nicht ausschließlich Zeitungen ausgetragen, sondern auch Werbeprospekte verteilt würden.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt; das LAG wies sie ab, ließ allerdings wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum BAG zu.

Die Gründe:
Der Kläger hat ab dem 1.1.2015 keinen Anspruch auf den vollen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Stunde. Die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG ist durch § 24 Abs. 2 Satz 1 MiLoG wirksam übergangsweise beschränkt wotrden.

§ 24 Abs. 2 Satz 1 MiLoG führt zwar dazu, dass Zeitungszusteller kraft Gesetzes - und nicht wie andere Arbeitnehmergruppen nur aufgrund allgemeinverbindlichen Tarifvertrags (§ 24 Abs. 1 MiLoG) - vorübergehend noch nicht den vollen gesetzlichen Mindestlohn beanspruchen können.

Dieser Eingriff in den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG ist jedoch gerechtfertigt. Die Einschätzung des Gesetzgebers, branchenspezifische Besonderheiten machten im Bereich der Zustellung von Presseerzeugnissen den Weg über § 24 Abs. 1 MiLoG nicht gangbar und erforderten wegen erheblicher Mehrkosten sowie unter dem Aspekt des Schutzes der Pressefreiheit die besondere Übergangsregelung in § 24 Abs. 2 MiLoG, hält sich im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungs- und Prognosespielraums. Die damit verbundene Belastung für die Gruppe der Zeitungszusteller wahrt die Grenzen der Verhältnismäßigkeit. Die vorgenommene Staffelung mit der damit verbundenen Pauschalierung erscheint aus Gründen der Praktikabilität hinnehmbar.

Der Kläger ist auch trotz der gelegentlich Pflicht, Werbekataloge in die Zeitungen einzulegen, Zeitungszusteller i.S.v. § 24 Abs. 2 MiLoG. Maßgeblich ist insoweit die tatsächliche Handhabung. Im Streitfall war insoweit zu berücksichtigen, dass das Einstecken der Werbung von Hand im Verhältnis zu dem Transport und der Übergabe der einzelnen Zeitung von zeitlich untergeordneter Bedeutung geblieben ist und die Tätigkeit des Klägers keineswegs geprägt hat.

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