Mobbing-Prozess: Scharfe Äußerungen des Arbeitnehmers rechtfertigen regelmäßig keine Auflösung des Arbeitsverhältnisses
BVerfG 8.11.2016, 1 BvR 988/15Der Beschwerdeführer hatte seine Arbeitgeberin wegen Mobbings auf Schadensersatz verklagt. Während des Rechtsstreits nahm er ohne sachlichen Anlass und unter Umgehung des eigenen Anwalts telefonisch Kontakt mit dem Prozessbevollmächtigten der Arbeitgeberin auf und warf diesem vor, im Gütetermin Lügen und Verleumdungen über ihn verbreitet zu haben. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Auf die Berufung der Arbeitgeberin löste das LAG das Arbeitsverhältnis nach §§ 9, 10 KSchG gegen eine Abfindung auf. Nicht nur das Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten der Arbeitgeberin belege, dass der Beschwerdeführer seiner Arbeitgeberin und seinen Vorgesetzten zutraue, ihn gezielt und in strafbarer Weise Schaden zufügen zu wollen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerde machte der Beschwerdeführer geltend, die Entscheidung des LAG verletze insbesondere sein Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.
Die Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da sie weder grundsätzliche Bedeutung hat noch ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten angezeigt ist. Das LAG hat mit der Entscheidung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Reichweite des Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht verkannt. Bei der Prüfung, ob eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien zu erwarten ist, dürfen zum Nachteil des Arbeitnehmers auch Äußerungen aus dem laufenden Gerichtsprozess berücksichtigt werden.
Grundsätzlich sind allerdings auch wertende Äußerungen im Prozess durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Verfahrensbeteiligte dürfen in gerichtlichen Auseinandersetzungen daher auch starke, eindringliche Ausdrücke und Schlagworte benutzen, um die eigene Rechtsposition zu unterstreichen. Das gilt insbesondere, wenn - wie hier - ein Anspruch wegen Mobbings geltend gemacht wird, da Beschäftigte in diesem Zusammenhang unerlaubte Handlungen des Arbeitgebers darlegen und beweisen und sich damit zwangsläufig negativ über den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder auch Kollegen äußern müssen.
Im Streitfall hat das LAG seine Prognose aber nicht maßgeblich auf das Prozessverhalten des Beschwerdeführers gestützt, sondern dieses lediglich als Beleg für eine verfestigte negative Einstellung des Beschwerdeführers zu seiner Arbeitgeberin, seinen Vorgesetzten und seinen Kollegen gewertet, die auch an zahlreichen anderen Stellen, die das LAG konkret benannt hat, zum Ausdruck gekommen sei. Die darauf beruhende Entscheidung, ob diese Umstände im Einzelfall die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, ist nicht vom Bundesverfassungsgericht zu treffen, sondern vom jeweiligen Fachgericht.
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