23.01.2012

Mobbing: Schadenersatzanspruch gegen Kollegen setzt sozialinadäquates Verhalten voraus

Ein Arbeitnehmer kann einen Kollegen nur dann wegen Mobbings auf Schadenersatz und Schmerzensgeld in Anspruch nehmen, wenn die beanstandeten Handlungen die Grenzen sozial- und rechtsadäquaten Verhaltens in üblichen Konfliktsituationen überschreiten. Im Arbeitsleben übliche Auseinandersetzungen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, erfüllen daher nicht die Voraussetzungen eines Schadenersatz- oder Schmerzensgeldanspruchs.

LAG Hamm 19.1.2012, 11 Sa 722/10
Der Sachverhalt:
Der 61 Jahre alte Kläger ist seit 1987 als Oberarzt in einem Krankenhaus beschäftigt. Er hatte sich 2001 erfolglos auf die Chefarztstelle der Neurochirurgischen Abteilung beworben. Die Stelle wurde dem Beklagten übertragen. Seit 2003 erhebt der Kläger Mobbingvorwürfe gegen den Beklagten. Zwischenzeitlich war er in psychiatrischer Behandlung und für längere Zeit arbeitsunfähig.

Eine 2004 gegen die Arbeitgeberin erhobene Klage mit dem Antrag, den Chefarzt zu entlassen und Schmerzensgeld zu zahlen, wurde durch Vergleich erledigt. Seitdem wird der Kläger im medizinischen Controlling eingesetzt. Im vorliegenden Verfahren nahm er den Beklagten auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe einer halben Millionen Euro in Anspruch. Zur Begründung machte er geltend, dass er durch eine Vielzahl von Übergriffen des Beklagten psychisch erkrankt und arbeitsunfähig geworden sei, wodurch er erhebliche Einkommenseinbußen erlitten habe.

Die Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG keinen Erfolg. Das LAG ließ auch nicht die Revision zum BAG zu.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Schadenersatzanspruch.

Zwar liegt ein zum Schadensersatz oder Schmerzensgeld verpflichtendes Verhalten vor, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, sind aber sozial- und rechtsadäquat und nicht geeignet sind, die Voraussetzungen zu erfüllen.

Nach diesen Grundsätzen scheidet im Streitfall ein Schadenersatzanspruch aus. Nach dem, was der Beklagte eingeräumt hat und was die Zeugen, soweit sie sich an die Vorfälle noch erinnern konnten, ausgesagt haben, wurden die Grenzen eines sozial- und rechtsadäquaten Verhaltens in üblichen Konfliktsituationen nicht überschritten. Es fehlte insbesondere an der mobbingtypischen Schaffung eines feindlichen Umfelds. Zwar gab es durchaus Auseinandersetzungen zwischen den Parteien. Diese Konflikte haben aber den am Arbeitsplatz noch üblichen Rahmen nicht überschritten.

LAG Hamm PM vom 19.1.2012
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