31.07.2015

Offene Entgeltdiskriminierung von Frauen wiegt nicht weniger schwer als eine verdeckte Ungleichbehandlung

Machen Arbeitnehmerinnen wegen geschlechtsbezogener Entgeltdiskriminierung Vergütungsdifferenzen zum Lohn, der den Männern gezahlt worden ist, geltend, handelt es sich um Erfüllungsansprüche, die nicht der Frist des § 15 Abs. 4 AGG unterliegen. Daneben besteht ein Entschädigungsanspruch (hier: i.H.v. 6.000 Euro für jede betroffene Frau). Bei der Bemessung der Entschädigung ist es nicht zugunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen, wenn die Entgeltdiskriminierung nicht verdeckt erfolgt ist, sondern offen kommuniziert wurde.

LAG Rheinland-Pfalz 13.5.2015, 5 Sa 436/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war seit 1994 bei der Beklagten, die Schuhe herstellt, als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Die Beklagte zahlte unstreitig bis Ende 2012 in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen niedrigeren Stundenlohn als den Männern. Auch die Anwesenheitsprämie, das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld der Frauen waren niedriger als das ihrer männlichen Kollegen.

Von der Ungleichbehandlung wusste die Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung im September 2012. Mit Schreiben vom 9.11.2012 machte sie Ansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung geltend. Die Beklagte wies die Forderungen u.a. mit der Begründung zurück, dass die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt sei. Im Übrigen habe sie die Ungleichbehandlung jederzeit offen kommuniziert, was deutlich weniger schwer wiege als eine heimliche Lohndiskriminierung.

Die Klage auf Zahlung einer - der Höhe nach unstreitigen - Differenzvergütung i.H.v. 9.229,90 Euro brutto für die Jahre 2009 bis 2012 und auf eine Entschädigung hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Vergütungsdifferenz i.H.v. 9.229,90 Euro brutto nebst Zinsen. Darüber hinaus kann sie von der Beklagten eine Entschädigung i.H.v. 6.000 Euro wegen Geschlechtsdiskriminierung beanspruchen.

Die Klägerin ist allein aufgrund ihres Geschlechts schlechter vergütet worden als ihre männlichen Kollegen. Hierin liegt eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung, die nicht gerechtfertigt war. Infolge der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung hat die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Nachzahlung der geltend gemachten Differenzbeträge sowohl aus dem AGG als auch aus § 612 Abs. 3 BGB a.F. und aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Die Ansprüche sind auch nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen. Denn die Klägerin hat keinen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG geltend gemacht, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen. Dieser Leistungsanspruch stellt keinen Schadensersatzanspruch dar.

Bei der Festlegung der Höhe der Entschädigung war zulasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie jahrelang und vorsätzlich ihre weibliche Beschäftigten im Hinblick auf das Entgelt diskriminiert hat. Es vermag die Beklagte auch nicht zu entlasten, dass die Entgeltdiskriminierung angeblich offen kommuniziert worden ist. Die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung war eklatant rechtswidrig. Dass diese Ungleichbehandlung offen zu Tage getreten sein soll, schmälert den Unwertgehalt der Diskriminierung nicht.

Linkhinweis:
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LAG Rheinland-Pfalz online
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