Personalabbau: Unternehmen können neben Sozialplan "Freiwilligenprogramme" anbieten
LAG München 9.12.2015, 5 Sa 591/15Der Kläger war bei der Beklagten seit November 2009 als "Senior Director Enterprise Sales" beschäftigt. 2013 kam es im Zuge einer konzernweiten Umstrukturierung zu einem Personalabbau bei der Beklagten. Zwei Angebote der Beklagten zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags gegen Zahlung einer Abfindung lehnte der Kläger ab. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis im Juni 2013 ordentlich betriebsbedingt zum 31.7.2013.
Im 28.8.2013 einigten sich die Beklagte und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat auf einen Interessenausgleich und Sozialplan. Ebenfalls am 28.8.2013 schlossen die Betriebsparteien eine "freiwillige Gesamtbetriebsvereinbarung" ab, die für Mitarbeiter, die sich zu diesem Zeitpunkt in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befanden und ein Angebot zur Aufhebung des Arbeitsvertrags annehmen würden, zusätzliche Abfindungen vorsah ("Freiwilligenprogramm").
Auf die Kündigungsschutzklage des Klägers schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung zum 31.8.2013 endete und die Beklagte dem Kläger eine Abfindung von 160.000 Euro zahlen musste, was in etwa dem Abfindungsbetrag entsprach, der sich für den Kläger aus dem Sozialplan ergeben hätte. Mit einer weiteren Klage verlangte der Kläger unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten die Zahlung einer zusätzlichen Abfindung i.H.v. ca. 158.000 Euro aus dem "Freiwilligenprogramm".
Die Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer weiteren Abfindung aus dem "Freiwilligenprogramm". Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil der Kläger sich bei Inkrafttreten des Programms nicht in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befand. Zwischen den Parteien ist auch kein Aufhebungsvertrag zustande gekommen.
Der geltend gemachte Anspruch folgt auch nicht aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG). Die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat durften in einer freiwilligen Kollektivvereinbarung den Anspruch auf eine weitere Abfindung vom Abschluss eines Aufhebungsvertrags und davon abhängig machen, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesamtbetriebsvereinbarung ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht.
Zwar sind betriebliche Interessen, die personelle Zusammensetzung der Belegschaft im Unternehmensinteresse zu steuern, keine geeigneten Gesichtspunkte, um Differenzierungen bei der Höhe von Sozialplanabfindungen zu rechtfertigen. Zudem dürfen Sozialplanleistungen nicht vom Verzicht auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden. Des Weiteren kann es aus Gleichbehandlungsgründen auch unzulässig sein, in Sozialplänen zwischen betriebsbedingten Kündigungen einerseits und Eigenkündigungen oder Aufhebungsverträgen andererseits zu differenzieren, wenn diese im Rahmen der Betriebsänderung vom Arbeitgeber veranlasst wurden.
Es ist den Betriebsparteien aber nicht untersagt, mit einer eigenständigen freiwilligen Regelung neben dem Sozialplan auch andere finanzielle Anreize zu setzen. Jedenfalls dann, wenn die Betriebsparteien ihrer Pflicht zur Aufstellung eines Sozialplans nachgekommen sind, können sie eine kollektivrechtliche Regelung treffen, die im Interesse des Arbeitgebers Mitarbeiter motivieren soll, freiwillig, etwa durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags, aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Die grundsätzliche Befugnis der Betriebsparteien zu einer solchen freiwilligen Betriebsvereinbarung folgt aus § 88 BetrVG.
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