08.06.2020

Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs: Berufungseinlegung per Fax beim LAG Schleswig-Holstein ist unwirksam

Seit dem 1.1.2020 können Rechtsanwälte und auch Behörden in Schleswig-Holstein nur noch über den elektronischen Rechtsverkehr Schriftsätze bei den Arbeitsgerichten einreichen. Reicht eine Partei durch ihren Rechtsanwalt die Berufung beim LAG Schleswig-Holstein innerhalb der Berufungsfrist nur per Fax ein, nicht aber über den elektronischen Rechtsverkehr, so ist die Berufung unzulässig.

LAG Schleswig-Holstein v. 25.3.2020 - 6 Sa 102/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin wehrte sich mit ihrer Klage u.a. gegen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Das ArbG hatte die Klage erstinstanzlich abgewiesen. Dem schriftlichen Urteil war eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, die über die bestehende Pflicht für Rechtsanwälte aufklärte, Anträge zweitinstanzlich ausschließlich per elektronischem Rechtsverkehr einzureichen. Dennoch reichte der in Niedersachsen ansässige Rechtsanwalt der Klägerin die Berufung am letzten Tag der Berufungsfrist lediglich per Fax ein.

Das LAG verwarf die Berufung als unzulässig und gab auch dem Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin nicht statt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das LAG hat die Revisionsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Die Gründe:
Mit der mittels Fax eingereichten Berufung hat die Klägerin die Rechtsmittelbelehrung des Arbeitsgerichts ignoriert und die Berufung nicht formgemäß eingelegt. Durch die Landesverordnung konnte § 46g ArbGG schon vor dem 1.1.2022 in Kraft gesetzt werden. Ermächtigungsgrundlage für die Landesverordnung ist Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten. § 46g ArbGG gilt auch für die zweite Instanz, obwohl sich die Regelung im Gesetzesabschnitt für den ersten Rechtszug befindet und die Vorschrift in § 64 Abs. 7 ArbGG (Übernahme erstinstanzlicher Vorschriften für das Berufungsverfahren) nicht erwähnt ist. Die Geltung entspricht aber dem Willen des Gesetzgebers, dem ein Redaktionsversehen unterlaufen ist. Die im Gesetzgebungsverfahren immer wieder betonte gerichtsbarkeitsbezogene Nutzungsverpflichtung soll der gesamten Gerichtsbarkeit - und nicht nur einer einzelnen Instanz - Gelegenheit geben, zu überprüfen, wie der elektronische Rechtsverkehr funktioniert. Das lässt sich nur dann sinnvoll beurteilen, wenn der Rechtsverkehr instanzübergreifend einheitlich stattfindet.

Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Berufungseinlegung bleibt der Klägerin versagt. Sie konnte sich nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum ihres in Niedersachsen ansässigen Prozessbevollmächtigten als Wiedereinsetzungsgrund berufen, der die Schleswig-Holsteinische Landesverordnung nicht gekannt habe. Für ihn ergab sich aus der zutreffenden und unmissverständlichen Rechtsmittelbelehrung im erstinstanzlichen Urteil ohne Weiteres, dass er die Berufung elektronisch einzureichen hatte. Das hätte er bei sorgfältigem und vollständigem Lesen der Rechtsmittelbelehrung feststellen können.
LAG Schleswig-Holstein PM Nr. 7 vom 5.6.2020
Zurück