Privilegierte Arbeitnehmerhaftung: Unfall mit dem Firmenfahrzeug
LAG Niedersachsen v. 10.4.2024 - 2 Sa 642/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger war bei der Beklagten zu 1) vom 1.2.2022 bis zum 31.1.2023 beschäftigt und verdiente 2.700 € brutto. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Im Laufe des Arbeitsverhältnisses war dem Kläger über einen Leasingvertrag ein Firmenfahrzeug vom Typ Nissan Leaf überlassen worden. Für das Fahrzeug war eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen worden. Am 14.7.2022 kam es zu einem Unfall, bei dem der Kläger auf dem Betriebsgelände der Beklagten zu 1) beim Zurücksetzen mit dem Nissan auf das BMW 320 i Cabrio des Beklagten zu 2) auffuhr. Das BMW Cabrio war zu diesem Zeitpunkt abgemeldet.
Der Kläger verlangte von der Beklagten zu 1) die Zahlung der Bruttovergütung für den Monat Januar 2023 sowie gesamtschuldnerisch von den Beklagten zu 1) und 2) die Zahlung eines Schmerzensgeldes. Die Beklagte zu 1) erklärte hingegen dem Lohnanspruch i.H.v. 2.700 € die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen betreffend die Schäden am Nissan Leaf und am BMW.
Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des Vergütungsanspruches für den Monat Januar 2023 stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LAG die Entscheidung abgeändert und der Widerklage teilweise stattgegeben.
Die Gründe:
Die Beklagte zu 1) hat gegenüber dem Kläger wegen des von ihm verursachten Schadens an dem BMW 320 i des Beklagten zu 2) einen Anspruch auf Zahlung von 1.543,37 € gem. §§ 823 Abs. 1, 398 BGB.
Dem Beklagten zu 2) waren durch den von dem Kläger verursachten Unfall laut Kfz-Sachverständigen kausal Schäden i.H.v. 2.315,06 € entstanden, § 249 BGB. Der Kläger haftet dafür allerdings nur anteilig i.H.v. 1.543,37 €. Die Haftungsbeschränkung ergab sich aus den vom BAG aufgestellten Grundsätzen der privilegierten Arbeitnehmerhaftung. Die Anwendung der Grundsätze über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung setzt ein betrieblich veranlasstes Handeln des Arbeitnehmers voraus (vgl. BAG, 22.3.2018 - 8 AZR 779/16; BAG, 28.10.2010 - 8 AZR 418/09).
Kommen - wie hier - die Grundsätze zur privilegierten Arbeitnehmerhaftung zum Tragen, hat ein Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht. Letztere ist bei einem typischen Abirren, einem "sich - vergreifen" - oder "sich vertun" anzunehmen. Gemeint sind Fälle des am Rande des Verschuldens liegenden Versehens. Mittlere Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat und der missbilligte Erfolg bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt vorhersehbar und vermeidbar gewesen wäre. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu teilen, bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen. Der Umfang der Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen ist durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen. Die Beweislast für die Pflicht- bzw. Rechtsgutverletzung, die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität sowie den Schaden tragt der Arbeitgeber.
Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze war dem Kläger bei der Verursachung des Unfalles mittlere Fahrlässigkeit im oberen Bereich vorzuhalten. Ein Arbeitnehmer, der beim Rückwärtsfahren mit dem Firmenfahrzeug auf dem öffentlich zugänglichen Firmenparkplatz ein dort parkendes Fahrzeug beschädigt, ist mittlere Fahrlässigkeit im oberen Bereich vorzuwerfen. Während des Rückwärtsfahrens ist es erforderlich, sich permanent durch die Benutzung des Innen- und der Außenspiegel sowie durch einen Schulterblick darüber zu vergewissern, dass die avisierte Fahrstrecke frei von Hindernissen ist. Gegebenenfalls muss sich der Fahrer durch einen Beifahrer oder eine dritte Person einweisen lassen.
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Der Kläger war bei der Beklagten zu 1) vom 1.2.2022 bis zum 31.1.2023 beschäftigt und verdiente 2.700 € brutto. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Im Laufe des Arbeitsverhältnisses war dem Kläger über einen Leasingvertrag ein Firmenfahrzeug vom Typ Nissan Leaf überlassen worden. Für das Fahrzeug war eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen worden. Am 14.7.2022 kam es zu einem Unfall, bei dem der Kläger auf dem Betriebsgelände der Beklagten zu 1) beim Zurücksetzen mit dem Nissan auf das BMW 320 i Cabrio des Beklagten zu 2) auffuhr. Das BMW Cabrio war zu diesem Zeitpunkt abgemeldet.
Der Kläger verlangte von der Beklagten zu 1) die Zahlung der Bruttovergütung für den Monat Januar 2023 sowie gesamtschuldnerisch von den Beklagten zu 1) und 2) die Zahlung eines Schmerzensgeldes. Die Beklagte zu 1) erklärte hingegen dem Lohnanspruch i.H.v. 2.700 € die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen betreffend die Schäden am Nissan Leaf und am BMW.
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Dem Beklagten zu 2) waren durch den von dem Kläger verursachten Unfall laut Kfz-Sachverständigen kausal Schäden i.H.v. 2.315,06 € entstanden, § 249 BGB. Der Kläger haftet dafür allerdings nur anteilig i.H.v. 1.543,37 €. Die Haftungsbeschränkung ergab sich aus den vom BAG aufgestellten Grundsätzen der privilegierten Arbeitnehmerhaftung. Die Anwendung der Grundsätze über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung setzt ein betrieblich veranlasstes Handeln des Arbeitnehmers voraus (vgl. BAG, 22.3.2018 - 8 AZR 779/16; BAG, 28.10.2010 - 8 AZR 418/09).
Kommen - wie hier - die Grundsätze zur privilegierten Arbeitnehmerhaftung zum Tragen, hat ein Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht. Letztere ist bei einem typischen Abirren, einem "sich - vergreifen" - oder "sich vertun" anzunehmen. Gemeint sind Fälle des am Rande des Verschuldens liegenden Versehens. Mittlere Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat und der missbilligte Erfolg bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt vorhersehbar und vermeidbar gewesen wäre. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu teilen, bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen. Der Umfang der Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen ist durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen. Die Beweislast für die Pflicht- bzw. Rechtsgutverletzung, die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität sowie den Schaden tragt der Arbeitgeber.
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