04.07.2017

Rechtsreferendarin scheitert mit Eilantrag gegen das Kopftuchverbot in der hessischen Justiz

Der Eilantrag gegen das Kopftuchverbot während bestimmter repräsentativer Tätigkeiten in der juristischen Ausbildung im Land Hessen ist erfolglos. Da in die Grundrechte der Beschwerdeführerin nur zeitlich und örtlich begrenzt eingegriffen wird, kann kein für den Erlass notwendiges Überwiegen ihres Rechtschutzinteresses festgestellt werden.

BVerfG 27.6.2017, 2 BvR 1333/17
Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist Rechtsreferendarin im Land Hessen. Sie trägt als Ausdruck ihrer individuellen Glaubensüberzeugung in der Öffentlichkeit ein Kopftuch. Rechtsreferendarinnen, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen, ist es im Land Hessen  gem. eines Erlasses des Hessischen Ministeriums der Justiz vom 28.6.2007 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 2 JAG und § 45 HBG nicht gestattet, bei Verhandlungen im Gerichtssaal auf der Richterbank zu sitzen, keine Sitzungsleitungen und Beweisaufnahmen durchzuführen, keine Sitzungsvertretungen für die Amtsanwaltschaft zu übernehmen und während der Verwaltungsstation keine Anhörungsausschutzsitzungen zu leiten.

Die Beschwerdeführerin legte gegen diese Beschränkungen erfolglos Beschwerde beim Präsidenten des Landgerichts ein. Das Verwaltungsgericht hatte zwar im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes dem Land Hessen aufgetragen, sicherzustellen, dass die Beschwerdeführerin vorläufig alle Tätigkeiten ihrer juristischen Ausbildung im vollen Umfang ausüben kann. Das Hessische Verwaltungsgericht hob den Beschluss jedoch auf.

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Beschränkungen in ihrer Ausbildung lehnte das Bundesverfassungsgericht ab.

Die Gründe:
Die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz beruht im vorliegenden Fall auf einer Folgenabwägung. Das notwendige Überwiegen der Gründe für den Erlass einer einstweiligen Anordnung kann im Rahmen der Folgenabwägung im Streitfall nicht festgestellt werden.

Zwar greift die Pflicht, bei der Ausübung repräsentativer Tätigkeiten für den Staat, die eigene Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft nicht durch das Tragen eines Kopftuchs sichtbar werden zu lassen, in die individuelle Glaubensfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1 und 2GG ein. Es kann auch der Bereich der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der der persönlichen Identität (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen sein.

Der Eingriff in die Grundrechte der Beschwerdeführerin durch das Kopftuchverbot während bestimmter Tätigkeiten im Rechtsreferendariat ist allerdings zeitlich und örtlich begrenzt. Das Verbot erstreckt sich z.B. lediglich auf den Zeitraum einer mündlichen Verhandlung und den Platz hinter der Richterbank. Die weitüberwiegenden Teile der Ausbildung sind davon nicht betroffen.

Dahingegen gewährleistet das Grundgesetz den Beteiligten eines Gerichtsverfahrens, vor einem unabhängigen und unparteilichen Richter zu stehen, der Neutralität und Distanz gegenüber allen Beteiligten und der Verfahrenssache bietet. Auch Rechtsreferendare haben dieses Neutralitätsgebot zu beachten, wenn sie als Repräsentanten des Staats auftreten und als solche wahrgenommen werden. Zudem ist die negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Prozessbeteiligten zu berücksichtigen.

Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des Bundesverfassungsgerichts veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts dazu finden Sie hier.

BVerfG PM Nr.55/2017 vom 4.7.2017
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