03.09.2024

Rechtsweg für eine Schadensersatzklage gegen einen Organvertreter wegen Datenschutzverstößen und Persönlichkeitsrechtsverletzung

Für die Schadensersatzklage eines Arbeitnehmers gegen die Organvertreterin seines Arbeitgebers (hier: Präsidentin bzw. Vorstandsvorsitzende eines Vereins) wegen datenschutzrechtlicher Verstöße und einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Offenlegung von Gesundheitsdaten in einem Mitgliederrundbrief an knapp 10.000 Vereinsmitglieder ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten in entsprechender Anwendung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d) ArbGG eröffnet.

LAG Düsseldorf v. 1.7.2024 - 3 Ta 85/24
Der Sachverhalt:
Die Beklagte war im streitgegenständlich relevanten Zeitraum des Jahres 2023 Präsidentin des R. e.V. und als solche Mitglied des geschäftsführenden Präsidiums des Vereins. Das geschäftsführende Präsidium wiederum ist der Vereinsvorstand i.S.v. § 26 BGB. Der Kläger ist bei dem R. e.V. auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses als technischer Leiter beschäftigt. Der Verein vertritt als Luftsportverband die Interessen der in NRW ansässigen Luftsportvereine.

Die Beklagte hatte in ihrer Funktion als Präsidentin an alle knapp 10.000 Mitglieder des R. e. V. am 11.6.2023 ein Rundschreiben versandt, in dem sie über den Kläger hergezogen hat und möglicherweise datenschutzrechtliche Verstöße sowie eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Offenlegung von Gesundheitsdaten begangen hat. Der Kläger ist - nachdem seine Kündigung zurückgenommen wurde - weiterhin für den Verein tätig. Die Beklagte ist mittlerweile als Präsidentin abgewählt worden und ausgeschieden.

Mit seiner beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangte der der Kläger von der Beklagten die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mind. 17.000 €. Er hat bewusst seinen Arbeitgeber nicht verklagt, um diesen aus den Streitigkeiten mit der Beklagten herauszuhalten. Er war der Ansicht, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei eröffnet. Es handele sich um einen Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmern. Die Beklagte habe als Mitarbeiterin eine unerlaubte Handlung begangen. Diese stehe in einer inneren Beziehung zum Arbeitsverhältnis.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht eröffnet erklärt und den Rechtsstreit an das LG verwiesen. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hat das LAG den Beschluss abgeändert und den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt.

Die Gründe:
Das Arbeitsgericht hat seine Rechtswegzuständigkeit zu Unrecht verneint. Entgegen seiner Rechtsansicht ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet, zwar nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG, wohl aber nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d) ArbGG.

Es entspricht der BAG-Rechtsprechung und ihm folgend der ganz allgemeinen Meinung in Rechtsprechung und Literatur, der auch die erkennende Beschwerdekammer folgt, dass für Klagen von Arbeitnehmern gegen Organvertreter ihres Arbeitgebers aus im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden unerlaubten Handlungen der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d) ArbGG begründet ist. Organvertreter wie die Beklagte sind zwar nicht Arbeitgeber i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG, denn Arbeitgeber kann nur sein, wer selbst Vertragspartner eines Arbeitnehmers oder einer arbeitnehmerähnlichen Person ist. Bei juristischen Personen entsteht dadurch eine mit Systematik und Sinn und Zweck des § 2 ArbGG nicht in Einklang zu bringende Lücke in der Rechtswegzuweisung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten zur Arbeitsgerichtbarkeit.

Mit der Systematik des § 2 Abs. 1 ArbGG wäre jedoch unvereinbar, denselben Gegenstand (unerlaubte Handlung gegenüber einem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis) nur deshalb nicht den Arbeitsgerichten zuzuweisen, weil Täter ein Organvertreter des Arbeitgebers ist. Die juristische Person selbst könnte ohnehin nicht Täter sein, sondern nur das für sie handelnde Organ. Dieselbe unerlaubte Handlung bleibt aber immer eine solche, die eine arbeitsrechtliche Streitigkeit betrifft, gleichgültig, ob ein anderer Arbeitnehmer, der Arbeitgeber selbst (als natürliche Person) oder der Organvertreter des Arbeitgebers sie begeht. Die insoweit systemwidrig bestehende Lücke ist durch die entsprechende Anwendung von § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. d) ArbGG zu schließen (so explizit BAG vom 24.6.1996 - 5 AZB 35/95 unter Verweis auf die bis zum Reichsgericht (Entscheidung v. 19.1.1929 - RAG 473/28) zurückreichende Rechtsprechung).

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