Risiko Raucherpause: Verletzung ist kein Arbeitsunfall
SG Berlin 23.1.2013, S 68 U 577/12Die Klägerin arbeitete als Pflegehelferin in einem Seniorenheim. Im Januar 2012 ging sie wegen des im Gebäude geltenden Rauchverbots auf eine Zigarette vor die Tür. Auf dem Rückweg zu ihrem Arbeitsplatz stieß sie in der Eingangshalle mit dem Hausmeister zusammen. Dieser verlor einen Eimer Wasser, die Klägerin rutschte aus und brach sich den rechten Arm.
Die Klägerin meinte, dass es sich um einen Arbeitsunfall handelte. Sie sei am Arbeitsplatz gestürzt. Den Weg durch die Eingangshalle würde sie täglich mehrmals bei allen möglichen Gelegenheiten zurücklegen. Dass sie in diesem Fall vom Rauchen zurückgekommen sei, dürfe keine Rolle spielen. Die beklagte Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege lehnte dagegen die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Sozialgericht keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Arbeitsunfall erlitten.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII lediglich Unfälle infolge einer versicherten Tätigkeit, d.h. dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein muss. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Denn der Weg von und zur Raucherpause ist nicht der unfallversicherungsrechtlich geschützten Tätigkeit der Klägerin zuzurechnen. Es ist ihre freie Privatentscheidung, ob sie zum Rauchen geht oder nicht. Ein Bezug zur beruflichen Tätigkeit besteht nicht.
Das Rauchen ist auch nicht mit der grds. unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden Nahrungsaufnahme vergleichbar. Essen und Trinken sind notwendig, um die Arbeitskraft aufrechtzuerhalten. Beim Rauchen handelt es sich hingegen um den Konsum eines Genussmittels und damit um eine Handlung aus dem persönlichen, nicht dem beruflichen Lebensbereich. Deshalb ist zwar der Weg zur Kantine versichert, nicht aber der Weg zur Raucherpause.
Der Hintergrund:
Ein Arbeitsunfall setzt gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII voraus, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Nicht jede Tätigkeit im Laufe eines Arbeitstages steht daher unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
So hat das SG Berlin am 21.10.2011 (Az.: S 98 U 178/10) entschieden, dass das Sich-Verschlucken beim Schlecken von Speiseeis und ein dadurch verursachter Herzinfarkt auf dem Heimweg von der Arbeit keinen Arbeitsunfall darstellt. Zwar sei grds. der Weg von und zur Arbeit versichert. Eis werde jedoch allein zum Genuss verzehrt, so dass es an einem sachlichen Zusammenhang zwischen der Handlung und der Berufstätigkeit fehle.
Anders hat das BSG den Einkauf von Lebensmitteln in der Mittagspause beurteilt (Urt. v. 11.5.1995 - 2 RU 30/94): Der Fußweg in der Mittagspause zwecks Besorgung von Nahrungsmitteln zum alsbaldigen Verzehr im Beschäftigungsbetrieb stehe in innerem Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit. Eine Angestellte, die sich auf dem Rückweg vom Einkaufen das Knie gebrochen hatte, war deshalb unfallversichert.
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