24.04.2024

Rückforderung von Schulungskosten: AGB-Recht als international zwingendes Recht

Ein Formulararbeitsvertrag ist auch bei einer anderweitigen Rechtswahl durch die Parteien (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO) einer AGB-Kontrolle (§§ 305 ff. BGB) zu unterziehen, wenn ohne die Rechtswahl deutsches Recht anzuwenden wäre. Ist danach eine den Arbeitnehmer belastende Vertragsklausel unwirksam, erübrigt sich der ansonsten erforderliche Günstigkeitsvergleich. Das Recht der AGB etabliert als unabdingbares Recht i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO ein Schutzniveau, von dem zu Lasten des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden darf.

BAG v. 23.1.2024 - 9 AZR 115/23
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine Fluggesellschaft mit Sitz in Dublin (Irland), die internationale Flüge unter irischer Fluglizenz durchführt. Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und war von Oktober 2016 bis Juni 2018 als Kapitän eines Flugzeugs vom Typ Boeing 737-800 bei der Beklagten beschäftigt. Während seiner Beschäftigungszeit war er durchgängig am Flughafen Berlin-Schönefeld stationiert und zudem in Deutschland sozialversichert. Die Vergütung überwies die Beklagte unter Anwendung irischen Steuerrechts auf ein irisches Bankkonto des Klägers.

Im April 2016 hatten die Parteien einen in englischer Sprache verfassten Arbeitsvertrag abgeschlossen. Darin befand sich unter Nr. 8.1 Satz 3 Halbsatz 2 eine Rückzahlungsvereinbarung im Hinblick auf Schulungskosten bei Kündigung seitens des Arbeitnehmers. Von Oktober 2016 bis Februar 2017 absolvierte der Kläger in Großbritannien eine solche Schulung. Im März 2018 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 5.6.2018. Am 2.4.2018 forderte die Beklagte den Kläger erfolglos auf, ihr Schulungskosten i.H.v. 20.000 € zu erstatten. In der Folgezeit zog sie stattdessen vom Nettoentgelt für die Monate April bis Juni 2018 Teilbeträge i.H.v. insgesamt rund 17.124 € für die von ihr aufgewandten Schulungskosten ab.

Der Kläger beanspruchte die Auszahlung dieses Betrags. Er war der Ansicht, der Arbeitsvertrag unterliege deutschem Recht. Danach habe die Beklagte keine aufrechenbare Gegenforderung. Die unter Nr. 8.1 Satz 3 Halbsatz 2 des Arbeitsvertrags geregelte Rückzahlungsvereinbarung benachteiligte ihn unangemessen und sei deshalb unwirksam.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Sowohl das LAG als auch das BAG haben die Entscheidung bestätigt.

Die Gründe:
Die Beklagte war nicht zur Aufrechnung berechtigt. Die Vereinbarung über die Erstattung von Schulungskosten (Nr. 8.1 Satz 3 Halbsatz 2 des Arbeitsvertrags) ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Ein Formulararbeitsvertrag ist auch bei einer anderweitigen Rechtswahl durch die Parteien (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO) einer AGB-Kontrolle (§§ 305 ff. BGB) zu unterziehen, wenn ohne die Rechtswahl deutsches Recht anzuwenden wäre. Ist danach eine den Arbeitnehmer belastende Vertragsklausel unwirksam, erübrigt sich der ansonsten erforderliche Günstigkeitsvergleich. Das Recht der AGB etabliert als unabdingbares Recht i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO ein Schutzniveau, von dem zu Lasten des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden darf.

Der für die Bestimmung des objektiven Rechts maßgebliche Arbeitsort war hier der Flughafen Berlin-Schönefeld. Die Schulungen, an denen der Kläger teilgenommen hatte, waren für die Bestimmung des objektiven Rechts ohne Belang, da sie nicht in Irland, sondern in Großbritannien stattfanden. Sobald eine Vertragspartei dem Vertragspartner - wie vorliegend die Beklagte dem Kläger - die Vertragsbedingungen einseitig vorgibt, hat dies innerhalb des Rahmens zu geschehen, den die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB den Parteien verbindlich vorschreiben. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Rückzahlungsregelung, die die Parteien in Nr. 8.1 Satz 3 Halbsatz 2 des Arbeitsvertrags vereinbart haben, unwirksam, da sie den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

Es ist nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr muss nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden (BAG v. 1.3.2022 - 9 AZR 260/21). Verpflichtet eine Klausel den Arbeitnehmer auch in den Fällen zur Erstattung von Schulungskosten, in denen der Grund für die Eigenkündigung aus der Sphäre des Arbeitgebers stammt, benachteiligt sie den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (vgl. BAG v. 18.3.2014 - 9 AZR 545/12). Infolgedessen hat das LAG zu Recht erkannt, dass die Rückzahlungsvereinbarung unter Nr. 8.1 Satz 3 Halbsatz 2 des Arbeitsvertrags gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstieß.

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