31.05.2012

Rückwirkende Neuregelung des Ruhegehalts für Beamte ist verfassungsgemäß

Die rückwirkende Änderung der Berechnungsgrundlage für eine vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes zur Überbrückung einer "Versorgungslücke" in § 14a Abs. 1 BeamtVG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Rückwirkung steht insbesondere kein schutzwürdiges Vertrauen der betroffenen Beamten entgegen. Denn der Regelungsgehalt von § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. war nicht eindeutig und auch eine gefestigte Rechtsprechung bestand nicht.

BVerfG 2.5.2012, 2 BvL 5/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger des Ausgangsverfahrens war im Alter von 44 Jahren Polizeibeamter beim Bundesgrenzschutz geworden. Zuvor hatte er aus einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit eine Anwartschaft auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Nach Vollendung des 60. Lebensjahres wurde er 2008 wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand versetzt.

In Fällen wie diesen sind Beamte zunächst ausschließlich auf ihre beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge angewiesen, da sie ihre Altersrente erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze beziehen können. Dies kann sich insbesondere dann nachteilig auswirken, wenn durch eine späte Übernahme in das Beamtenverhältnis und den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand nur wenige Dienstjahre für die Berechnung der Versorgungsbezüge berücksichtigt werden können.

§ 14a Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) wirkt dieser "Versorgungslücke" durch eine vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes bis zum Beginn des Rentenbezugs entgegen. Während die Verwaltungspraxis, ein Teil der Literatur und einige Instanzgerichte davon ausgingen, dass Berechnungsgrundlage für diese Leistungen der bis dahin "erdiente" Ruhegehaltssatz war, entschied das BVerwG am 23.6.2005, dass es sich auch bei dem Mindestruhegehaltssatz von 35 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge um einen "berechneten" Ruhegehaltssatz i.S.v. § 14a Abs. 1 BeamtVG handele.

Dieser Rechtsauffassung folgte die Verwaltung jedoch nicht. Am 11.2.2009 wurde § 14a BeamtVG dann dahingehend mit Wirkung zum 24.6.2005 geändert, dass als Berechnungsrundlage nur der "erdiente" Ruhegehaltssatz in Betracht kommt. Das BVerfG entschied, dass diese Gesetzesänderung verfassungskonform war.

Die Gründe:
Die Änderung von § 14a BeamtVG ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Vorschrift enthält keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung und verletzt nicht das durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Vertrauen versorgungsberechtigter Beamter darauf, im Alter amtsangemessen versorgt zu sein.

Schutzwürdiges Vertrauen liegt nur vor, wenn die gesetzliche Regelung generell geeignet ist, ein Vertrauen auf ihr Fortbestehen zu begründen und darauf gegründete Entscheidungen - insbesondere Vermögensdispositionen - herbeizuführen, die sich bei Änderung der Rechtslage als nachteilig erweisen.

Ein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen, dass es sich bei dem Mindestruhegehaltssatz um einen "berechneten" Ruhegehaltssatz i.S.v. § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. handele, konnte sich unter den gegebenen Umständen nicht entwickeln. Der Regelungsgehalt des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. war in dieser Hinsicht nicht eindeutig. Eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung bestand nicht. Vielmehr wich das Urteil des BVerwG vom 23.6.2005 von der bis dahin bestehenden Verwaltungspraxis sowie von der in der Instanzrechtsprechung und von einem Teil des Schrifttums vertretenen Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. ab.

Die für die Beamtenversorgung zuständigen Behörden haben zudem ganz überwiegend keinen Zweifel daran gelassen, dass dem Urteil vom 23.6.2005 über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht gefolgt werden solle und eine gesetzliche Klarstellung erforderlich sei. Hinzu kamen Gesetzesinitiativen auf Bundes- wie auf Landesebene, mit denen die unveränderte Verwaltungspraxis gesetzlich abgesichert werden sollte. Unter diesen Umständen lag es nicht fern, dass das BVerwG seine Rechtsauffassung korrigieren werde.

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht. Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.

BVerfG PM Nr.34/12 v. 30.5.2012
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