16.05.2022

Schadensersatz nach AGG: Ausschlussfristen in AGG und ArbGG mit Unionsrecht vereinbar

Die Ausschlussfristen der §§ 15 Abs. 4 AGG, 61b Abs. 1 ArbGG für das Geltendmachen von Ansprüchen auf Entschädigung wegen Diskriminierung nach dem AGG sind mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar.

LAG München v. 7.3.2022 - 4 Sa 512/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung wegen Diskriminierung. Der 54jährige griechische Kläger war bei der Beklagten, deren Zielsetzung die Integration und Unterstützung von Menschen mit Migrationshintergrund ist, befristet bis 30.4.2020 als Seminarleiter tätig.

Das Arbeitsverhältnis wurde über den Zeitpunkt der Befristung hinaus nicht fortgesetzt. Die Klage des Klägers gegen die Befristung, in der er sich u.a. auf die Zusage der Weiterbeschäftigung berief, wurde von ArbG und LAG abgewiesen.

Wegen Verstoßes gegen das AGG macht der Kläger nunmehr Schadensersatzansprüche geltend. Das ArbG wies die Klage ab. Das LAG hat die gegen die Klageabweisung gerichtete Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Es besteht die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG.

Die Gründe:
Der Kläger hat die Klagefrist gemäß § 61 b Abs. 1 ArbGG nicht eingehalten. Nach § 61 b Abs. 1 ArbGG muss eine Klage auf Entschädigung innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs erhoben werden, andernfalls ist der Anspruch verfallen.

Der Kläger hat seinen Entschädigungsanspruch mit Schreiben vom 4.6.2020 geltend gemacht. Die Entschädigungsklage ist am 1.12.2020 und damit außerhalb der Dreimonatsfrist beim ArbG eingegangen, die nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am 6.9.2020 abgelaufen war.

Die Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG ist nicht deshalb unbeachtlich, weil sie europarechtswidrig wäre.

Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 8.7.2010 (C-246/09 - Bulicke) die - kürzere - Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG unter dem Gesichtspunkt des Effektivitätsgrundsatzes nicht für bedenklich gehalten. Vielmehr sei nicht ersichtlich, dass die Festlegung dieser Frist auf zwei Monate die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren könne, wenn diese Frist nicht weniger günstig sei als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich Arbeitsrecht.

Das BAG hat wiederholt die Vereinbarkeit der Ausschlussfristen der §§ 15 Abs. 4 AGG, 61b Abs. 1 ArbGG mit den Vorgaben des Unionsrechts bejaht (u.a. BAG v. 18.5.2017 - 8 AZR 74/16 Rn. 30 ff.). Die Fristen wahrten sowohl den unionsrechtlichen Grundsatz der Äquivalenz als auch den der Effektivität und verstießen auch nicht gegen das in Art. 8 Abs. 2 der RL 2000/78/EG bestimmte Verbot der Absenkung des von den Mitgliedstaaten bereits garantierten allgemeinen Schutzniveaus.

Dem schließt sich das Gericht an. Zwar legt die Richtlinie selbst keine Fristen für die Geltendmachung von in ihr geregelten Ansprüchen fest; doch normiert ihr Art. 9 Abs. 3 (ebenso wie Art. 7 Abs. 3 der vom Kläger auch benannten RL 2000/43/EG) die Möglichkeit einzelstaatlicher Regelungen über Fristen für die Rechtsverfolgung betreffend den Gleichbehandlungsgrundsatz.

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