Schein-Handwerker haften bei Verursachung eines Schadens - wie Arbeitnehmer - nicht unbeschränkt
Hessisches LAG 17.5.2013, 13 Sa 857/12Bei der Klägerin handelt es sich um die Versicherung eines Unternehmens, das ein Milchwerk betreibt. Der Beklagte ist gelernter Schlosser und war seit vielen Jahren praktisch ausschließlich und regelmäßig weisungsunterworfen in dem Milchwerk tätig. Er verfügte außerhalb des Unternehmens über kein Büro o.Ä. Seine Leistungen rechnete er nach Stunden ab und stellte dem Unternehmen regelmäßig Rechnungen aus.
Das Milchwerk produzierte u.a. Milch- und Kaffeepulver in mehreren Trocknungsanlagen. Am 13.8.2008 hatte der Beklagte den Auftrag, verschiedene Metallteile an einem der Trockentürme anzubringen. Bei laufendem Betrieb schnitt er mit Schweißgerät und Trennschleifer Schlitze in die Außenwand des Trockenturms. Dabei entstanden Funken und glühende Metalltropfen, die in den Trockenturm tropften. In der Folge entzündeten sich 17 Tonnen Milchpulver explosionsartig. Der hierdurch verursachte Schaden belief sich auf rund 220.000 Euro.
Die Klägerin beglich - zusammen mit weiteren Versicherungen - den Schaden und nahm sodann mit der vorliegenden Klage den Beklagten auf Schadensersatz i.H.v. 142.000 Euro in Anspruch. Das zunächst angerufene Landgericht verwies den Rechtsstreit an die Arbeitsgerichtsbarkeit, weil es den Beklagten für eine arbeitnehmerähnliche Person hielt. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte nur teilweise Erfolg: Das LAG verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 17.000 Euro; im Übrigen wies es die Klage ab und ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zum BAG zu.
+++ Die Gründe:
Der Beklagte haftet zwar für den von ihm verursachten Schaden. Entsprechend den für Arbeitnehmer geltenden Grundsätzen kommen ihm aber Haftungserleichterungen zugute.
Der Beklagte hat den Schaden grob fahrlässig verursacht. Es ist offensichtlich, dass bei Schweiß- und Flexarbeiten Funkenflug und heiße Metalltropfen entstehen, die erhitztes Milchpulver zur Entzündung bringen können.
Für den entstandenen Schaden haftet der Beklagte zwar grundsätzlich in vollem Umfang. Für Arbeitnehmer im Rechtssinne gilt diese Haftung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allerdings nur unter Berücksichtigung der persönlichen Situation und der Umstände des Einzelfalls. Dahinter steht u.a. der Gedanke, dass die Haftung den Arbeitnehmer nicht in den Ruin treiben soll.
Diese Grundsätze sind hier entsprechend anzuwenden. Der Beklagte ist wegen seiner wirtschaftlichen Unselbständigkeit auf jeden Fall eine arbeitnehmerähnliche Person i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Denn er war als Handwerker praktisch wie ein Arbeitnehmer in den Betrieb des Milchwerks eingegliedert.
Nach diesen Grundsätzen war die Haftungssumme auf 17.000 Euro zu beschränken, was etwa drei Monatsverdiensten des Beklagten entsprach.
+++ Der Hintergrund:
Geht es bei Schein-Werkverträgen oft um Lohndumping, so zeigt diese Entscheidung einen weiteren wichtigen Aspekt auf: die Haftungsfrage.
Im Streitfall deutete einiges auf eine Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten hin ("praktisch ausschließlich" für dieses Unternehmen tätig, "regelmäßig weisungsunterworfen", "wie ein Arbeitnehmer in den Betrieb des Milchwerks eingegliedert"). Das LAG konnte diese Frage aber letztlich offenlassen. Es hat entschieden, dass die Haftungsprivilegierungen für Arbeitnehmer auch für arbeitnehmerähnliche Personen gelten. Daher spielte es im Endeffekt keine Rolle, ob der Beklagte als Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person anzusehen war.