Schleusenstreik: Binnenschiffer können als Drittbetroffene nicht gegen Streik vorgehen
ArbG Wesel 23.8.2013, 6 Ga 22/13Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes soll umstrukturiert werden. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di befürchtet, dass die Umstrukturierung ein Viertel der bundesweit 12.000 Arbeitsplätze in der Schifffahrtsverwaltung gefährdet. Sie möchte deshalb mit dem Bund einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung abschließen, der betriebsbedingte Kündigungen und Versetzungen ausschließt.
Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, hat ver.di an verschiedenen Stellen Schleusenmitarbeiter zu Streiks aufgerufen.
Die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens, ein Binnenschifffahrtsunternehmen, beantragte, sämtliche Streikmaßnahmen im Bereich der Schleuse Friedrichsfeld am Wesel-Datteln-Kanal zu untersagen. Der Streik habe dazu geführt, dass einige ihrer Schiffe festlägen. Deshalb könne z.B. für ein Kraftwerk bestimmte Kohle nicht ausgeliefert werden.
Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück.
Die Gründe:
Die Antragstellerin kann nicht verlangen, dass ver.di weitere Streikmaßnahmen im Bereich der fraglichen Schleuse einstellt. Denn sie ist nicht Adressatin des Streiks; dies ist vielmehr die Bundesrepublik Deutschland.
Die Antragstellerin ist daher nur mittelbar Betroffene. Eine solche Drittbetroffenheit ist in einem komplex verflochtenen Wirtschaftssystem unvermeidbar und führt grds. nicht zur Rechtswidrigkeit eines Streiks. Sie wird im Rahmen einer vorzunehmenden Interessenabwägung erst dann relevant, wenn Schutzgüter der Allgemeinheit wie Leben, Gesundheit oder die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern oder Dienstleistungen gefährdet sind. Dies war hier nicht der Fall.
Nur mittelbar von einem Streik betroffene Unternehmen sind zwar nicht gänzlich ungeschützt. Ihnen sind allerdings nach der Rechtsprechung erhebliche Beeinträchtigungen bis an die Grenze der wirtschaftlichen Belastbarkeit zuzumuten (ArbG Frankfurt, Urt. v. 25.3.2013 - 9 Ca 5558/12 mit Hinweis auf BGH, Urt. v. 14.4.2005 - V ZB 16/05). Eine derart schwere Belastungssituation lässt sich dem Vortrag der Antragstellerin nicht entnehmen.