02.05.2017

Schlussantrag des Generalanwalts: Arbeitsgerichtliche Zuständigkeit für Streitigkeiten über Verträge von Flugpersonal

Der zuständige Generalanwalt am EuGH schlägt vor, auf Arbeitsverträge von Stewardessen und Stewards die Rechtsprechung zu Arbeitsverträgen, die im Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten erfüllt werden, anzuwenden. Danach ist das Gericht des Ortes zuständig, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer hauptsächlich für den Arbeitgeber tätig wird.

EuGH-Generalanwalt 27.4.2017, C-168/16 und C-169/16
Der Sachverhalt:
Die beklagten Unternehmen Ryanair und Crewlink sind Gesellschaften irischen Rechts mit Sitz in Irland. Ryanair ist international als Fluggesellschaft tätig und Crewlink vermittelt und schult Flugpersonal. Zwischen 2009 und 2011 stellten Ryanair bzw. Crewlink Arbeitnehmer verschiedener Nationalitäten ein. In den Arbeitsverträgen wurde der Flughafen Charleroi in Belgien als ihre Heimatbasis festgelegt. Der Arbeitstag des Flugpersonals begann und endete dort und sie sollten nicht mehr als eine Stunde entfernt wohnen.

Sechs Arbeitnehmer riefen aufgrund von Streitigkeiten in Bezug auf ihr Arbeitsverhältnis belgische Gerichte an. Sie vertraten die Rechtsauffassung, ihre Arbeitsverträge unterlägen belgischem Recht: Daher seien auch die belgischen Gerichte zur Entscheidung über die jeweiligen Klagen berufen.

Ein Arbeitsgericht bezweifelte seine Zuständigkeit und legte dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens Fragen zur Auslegung der Unionsverordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (VO EG 44/2001) vor. Insbesondere warf es die Frage auf, wie der Begriff "Ort, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet" (Art. 19 Nr. 2 der VO) in Bezug auf den Luftverkehrssektor zu verstehen ist.

Der Vorschlag des EuGH-Generalanwalts:
Nach Ansicht des zuständigen Generalanwalts kann auf die betroffenen Arbeitsverträge die Rechtsprechung des EuGH zu Arbeitsverträgen, die im Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten erfüllt werden, Anwendung finden. Für Streitigkeiten ist dann das Gericht des Ortes zuständig, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seinen Verpflichtungen hauptsächlich nachkommt.

Ein angerufenes Gericht hat diesen Ort unter Zugrundelegung aller relevanten Umstände zu ermitteln. Hierzu gehört die Prüfung, wo der Arbeitnehmer seine Arbeit aufnimmt und beendet, wo Flugzeuge, an Bord deren er tätig ist, ihren gewöhnlichen Standort haben, wo er Anweisungen des Arbeitgebers empfängt, wo er laut Arbeitsvertrag wohnen muss, wo sich ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestelltes Büro befindet und wo er im Fall von Arbeitsunfähigkeit oder disziplinarischen Problemen erscheinen muss.

Vorliegend müsste daher laut dem Generalanwalt das Gericht des Ortes zuständig sein, in welchem der Flughafen Charleroi liegt. Für dieses Ergebnis ist auch die vertragliche Heimatbasis mittelbar relevant, denn sie bestimmt, wo die Arbeitnehmer ihren Arbeitstag beginnen und beenden. Nicht zu berücksichtigen ist, in welchem Staat die Flugzeuge eingetragen sind, in denen die Stewardessen und Stewards arbeiten.

Linkhinweis:
Die Schlussanträge im Volltext sind auf den Webseiten des EuGH in englischer Sprache veröffentlicht.

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EuGH PM Nr. 41/17 vom 27.4.2017
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