03.06.2019

Schweigen des Arbeitnehmers bedeutet keine Zustimmung zu einer Lohnkürzung

Schweigen ist im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Willenserklärung. Jedenfalls ist im Arbeitsverhältnis bei beabsichtigter nachteiliger Änderungen im Bereich der Hauptleistungspflichten regelmäßig nicht von einer stillschweigenden Annahmeerklärung auszugehen, solange die Folgen der Änderung noch nicht hervorgetreten sind.

LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 2.4.2019 - 5 Sa 221/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Jahr 2000 als 22-Jähriger bei der T-GmbH eine Beschäftigung als KFZ-Mechaniker aufgenommen. Ausweislich eines Änderungsvertrages vom 18.12.2000 galten die regional geltenden Mantel- und Lohntarifverträge für Arbeitnehmer des Kraftfahrzeug-Handwerks, -Handels und -Gewerbes in ihrer jeweils letzten Fassung. Anlässlich des Betriebsübergangs auf die Beklagte wurde am 19.12.2013 u.a. vereinbart, dass der Besitzstand des Mitarbeiters durch den Betriebsübergang nicht berührt werde und die Zahlung von Urlaubsgeld (40 % des durchschnittlichen monatlichen Bruttogehaltes) gemäß dem Besitzstand gelte. Der Kläger erhielt zuletzt einen Stundenlohn von € 13,71 brutto. Das Urlaubsgeld wurde üblicherweise im Juni des jeweiligen Jahres ausgezahlt.

Im März 2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos. In dem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess schlossen die Parteien einen Vergleich, nach dem das Arbeitsverhältnis zum 30.9.2017 endete. Die Beklagte verpflichtete sich, den Kläger unter Fortzahlung der Bezüge unwiderruflich von der Arbeitsleistung freizustellen und das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungstermin ordnungsgemäß abzurechnen und die sich ergebenden Nettobeträge auszuzahlen.

Die Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis für die Monate März 2017 bis September 2017 allerdings nicht auf der Grundlage des zuletzt gezahlten Stundenlohnes von € 13,71, sondern nur mit einem Stundenlohn von € 12,89 brutto ab. Sie begründete dies damit, dass der Kläger nicht mehr als Servicetechniker tätig gewesen sei. Dem Kläger sei im Beisein des Serviceleiters mitgeteilt worden, dass der zukünftige Stundenlohn € 12,89 betrage. Hiergegen habe der Kläger keine Einwände erhoben. Ein Anspruch auf Urlaubsgeld bestehe zudem nicht, da der Kläger im Juni 2017 keinen Urlaub genommen habe.

Das Arbeitsgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt und verurteilte die Beklagte, an den Kläger als restliches Arbeitsentgelt für den Zeitraum März 2017 bis September 2017 sowie als Urlaubsgeld insgesamt € 1.551 brutto zu zahlen. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem LAG erfolglos.

Die Gründe:
Der Kläger hat nach § 611a Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung eines Stundenlohnes von € 13,71 brutto im Zeitraum März 2017 bis einschließlich September 2017.

Vereinbart hatten die Parteien zuletzt einen Stundenlohn von € 13,71 brutto. Spätere, hiervon abweichende Vereinbarungen lagen nicht vor, da eine Änderungsvereinbarung über die Lohnhöhe nicht zustande gekommen war. Denn ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung, etwa nach §§ 133, 157 BGB. Schweigen ist im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Willenserklärung. Jedenfalls ist bei einem Arbeitsverhältnis im Falle nachteiliger Änderungen im Bereich der Hauptleistungspflichten regelmäßig nicht von einer stillschweigenden Annahmeerklärung auszugehen, solange die Folgen der Änderung noch nicht hervorgetreten sind. (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.11.2007 - 5 Sa 415707; LAG Köln, Urt. v. 15.12.2014 - 5 Sa 580/14). Ob und ggf. wann die Beklagte dem Kläger mitgeteilt hatte, den Lohn um 6 % kürzen zu wollen, war unerheblich. Schließlich fehlte es an einem Verhalten des Klägers, aus dem sich bei verständiger Betrachtung ein Einverständnis mit einer Lohnkürzung herleiten ließ.

Der Kläger hat zudem gem. § 611a Abs. 2 BGB einen Anspruch auf ein Urlaubsgeld i.H.v. 40 % des durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalts. Die Zahlung hing gerade nicht davon ab, ob der Kläger im Juni bzw. bis zum Juni den gesamten Jahresurlaub oder einen Teil davon bereits genommen hatte. Eine solche Einschränkung ließ sich weder dem Wortlaut des Arbeitsvertrages noch dem Sinn und Zweck des Urlaubsgeldes entnehmen. Zwar soll das Urlaubsgeld regelmäßig dazu beitragen, den urlaubsbedingten finanziellen Mehrbedarf zu bestreiten. Dennoch muss das Urlaubsgeld nicht an Gewährung des Urlaubs gekoppelt werden (BAG, Urt. v. 15.4.2003 - 9 AZR 137/02). Aus Gründen der Praktikabilität kann die Berechnung und die Fälligkeit des Urlaubsgeldes pauschaliert werden. Da der wesentliche Teil des Erholungsurlaubs typischerweise in den Sommermonaten gewährt und genommen wird, bietet es sich an, das Urlaubsgeld im Juni auszuzahlen.

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