12.05.2017

Strafanzeige gegen den Arbeitgeber kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen

Stellt ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber einen Strafantrag, obwohl die Vorwürfe erkennbar haltlos sind, handelt es sich um eine erhebliche schuldhafte Verletzung der Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, die eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigt.

BAG 15.12.2016, 2 AZR 42/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Fachanwältin für Arbeits- und Sozialrecht und war bei der beklagten Trägerin des Fachbereichs für Sozialversicherung der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung seit 2003 als Lehrbeauftragte angestellt. Im März 2012 ließ die Beklagte u.a. auch die Lehrveranstaltungen der Klägerin auf Grundlage einer erlassenen Evaluierungsordnung bewerten. Die Ergebnisse gab sie an andere Mitarbeiter weiter. Die Klägerin hielt die durchgeführte Evaluierung wegen der nach ihrer Auffassung nicht ordnungsgemäßen Bestellung eines Evaluierungsbeauftragten für rechtswidrig.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 4.6.2012 stellte die Klägerin Strafantrag gegen "Unbekannt" wegen einer Straftat nach § 44 Abs. 1 BDSG. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren aber ein.

Nachdem die Beklagte von dem Strafantrag erfahren hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23.5.2014 zum 31.12.2014 ordnungsgemäß. Die Klägerin erhob daraufhin Kündigungsschutzklage. Hiermit hatte sie sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG keinen Erfolg. Das BAG wies die Revision der Klägerin ebenfalls als unbegründet zurück.

Die Gründe:
Die Kündigung ist wirksam. Die Beklagte konnte das Arbeitsverhältnis aus verhaltensbedingten Gründen kündigen. Eine solche Kündigung setzt gem. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG voraus, dass der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erheblich und schuldhaft verletzt hat, so dass eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses über die Kündigungsfrist hinaus unter Abwägung beiderseitiger Interessen nicht zumutbar ist. Eine solche erhebliche Verletzung kann auch aus der Verletzung der Pflicht des Arbeitnehmers zur Rücksichtnahme auf die Arbeitgeberinteressen aus §241 Abs. 2 BGB herrühren.

Im Streitfall hat die Klägerin mit der Stellung des Strafantrags erheblich gegen ihre Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen. Eine Strafantragsstellung des Arbeitnehmers wegen eines vermeintlichen strafbaren Verhaltens des Arbeitgebers stellt zwar grds. keinen Grund für eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung dar. Hierin liegt schließlich nur eine zulässige Wahrnehmung seiner Rechte, soweit keine falschen Angaben erfolgen. Allerdings ist dies anders zu bewerten, wenn wie im vorliegenden Fall trotz richtiger Darstellung des Sachverhalts die für den Straftatbestand erforderliche Schädigungsabsicht offensichtlich fehlt und der Strafantrag daher unangemessen ist, denn das Vorliegen einer Straftat nach § 44 Abs. 1 BDSG setzt voraus, dass die Handlung gegen Entgelt oder in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht begangen wurde.

Im Streitfall ist erkennbar, dass eine solche Absicht des Arbeitgebers nicht gegeben war. Der Strafantrag der Klägerin entbehrt daher jeglicher Grundlage. Die Pflichtverletzung gem. § 241 Abs. 2 BGB ist aufgrund der Erkennbarkeit der Haltlosigkeit der Vorwürfe auch schuldhaft und der Klägerin vorwerfbar. Sie handelte fahrlässig und unterließ eine Überprüfung der offensichtlich erkennbaren Umstände. Zudem hätten der Klägerin zunächst andere wirksame, mildere Mittel wie etwa eine innerbetriebliche Klärung zur Verfügung gestanden. Die Reaktion der Klägerin war somit auch unverhältnismäßig.

Linkhinweis:
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Quelle: BAG online
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