09.10.2012

Streikbedingte Flugverspätungen: Gewerkschaften haften möglicherweise für Ausgleichzahlungen an Passagiere

Müssen infolge eines Flughafen-Streiks Flüge umorganisiert werden, so können Passagiere, die aus diesem Grund verspätet befördert worden sind, grds. von der Fluggesellschaft Ausgleichsleistungen verlangen. Die Fluggesellschaft ist allerdings ihrerseits nicht gehindert, bei anderen Personen, auch Dritten, die die Nichtbeförderung verursacht haben, Regress zu nehmen. Ein solcher Regress kann die finanzielle Belastung der Fluggesellschaften mildern oder sogar beseitigen.

EuGH 4.10.2012, C-22/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger des Ausgangsverfahrens hatte für den 30.7.2006, 11:40 Uhr, einen Flug von Barcelona nach Helsinki gebucht. Tatsächlich konnte er infolge eines Streiks, der zwei Tage zuvor auf dem Flughafen Barcelona stattgefunden hatte, und hierdurch erforderlich gewordener Umorganisationen erst mit einer Maschine um 21:40 Uhr starten. Er verlangte deshalb von der Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung i.H.v. 400 Euro.

Das mit der Klage befasste finnische Gericht legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob auch in einem solchen Fall eine Nichtbeförderung i.S.d. Verordnung über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste vorliegt und ob die Fluggesellschaft sich hier auf Ausgleichsleistungen ausschließende außergewöhnliche Umstände berufen kann.

Der EuGH entschied, dass Passagiere auch in solchen Fällen Ausgleichsleistungen verlangen können, und deutete außerdem an, dass die Fluggesellschaften hierfür die Gewerkschaften in Regress nehmen können.

Die Gründe:
Fluggesellschaft müssen gegenüber Fluggästen nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Ausgleichsleistungen erbringen, wenn diese nicht befördert worden sind, weil ihr Flug infolge eines Streiks umorganisiert wurde, der - wie hier - zwei Tage zuvor auf dem Flughafen stattgefunden hatte. Der Ausgleich ist nicht nur bei Nichtbeförderung wegen Überbuchung, sondern auch bei Nichtbeförderung aus anderen - z.B. betrieblichen - Gründen zu zahlen.

Die Erfüllung ihrer Verpflichtungen gemäß der Verordnung Nr. 261/2004 nimmt den Fluggesellschaften allerdings nicht das Recht, bei anderen Personen, die die "Nichtbeförderung" verursacht haben, auch Dritten, Regress zu nehmen, wie es Art. 13 dieser Verordnung vorsieht. Ein solcher Regress kann daher die finanzielle Belastung der betreffenden Unternehmen aus diesen Verpflichtungen mildern oder sogar beseitigen (vgl. EuGH, Urt. v. 10.1.2006 - C-344/04, IATA/ELFAA).

Linkhinweis:
Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des EuGH veröffentlicht. Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 124 vom 4.10.2012
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