15.04.2024

Streit um Auslegung eines Tarifvertrages - Gutschrift zum Arbeitszeitkonto statt erfolgter Geldzahlung

Die Stunden - gemeint können nur die die vollen Tage überschießenden Reststunden sein (2 h und 18 Minuten) - können einem Zeitkonto gutgeschrieben oder entsprechend ausgezahlt werden. Beides kann bei dieser Wortwahl ausschließlich und nur der Arbeitgeber. Dem Arbeitnehmer wir in diesem Fall kein Wahlrecht einräumt.

ArbG Suhl v. 21.3.2024 - 4 Ca 1072/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist seit Dezember 2013 bei der Beklagten als Produktionsmitarbeiterin mit 37,5 h und einem Monatsbrutto von zuletzt 2.358 € beschäftigt. Im November 2022 hatte sie die Umwandlung ihres Anspruchs nach § 5 Tarifvertrag zur Jahresleistungsprämie (TV JlP) in Freizeit beantragt. Den Rest des Anspruchs beantragte sie ebenfalls umzuwandeln und ihrem Zeitkonto gut zu schreiben. Die Beklagte gewährte daraufhin 6 volle Tage mit je 7,5 h Freizeitausgleich und zahlte im Mai 2023 den sich aus 2 h und 18 Minuten aus 33,26 € brutto ergebenden Nettobetrag aus.

Die Klägerin war der Ansicht, dass der Wortlaut der tarifvertraglichen Regelung des § 5 Ziff. 6 TV JlP derart zu verstehen bzw. auszulegen sei, dass die Wahl zwischen Auszahlung eines Geldbetrages für die 4 h 55 min. und der Gutschrift auf dem Zeitkonto zur Disposition des Arbeitnehmers stehe. § 5 Ziff. 6 letzter Absatz TV JlP sei auf den ersten Absatz von § 5 Ziff. 6 TV JlP bezogen, so dass nur der Arbeitnehmer entscheide, ob er Teile, oder den gesamten Betrag in Freizeit umgewandelt haben möchte. Infolgedessen forderte sie gerichtlich, ihrem Arbeitszeitkonto 2 h 18 min. Zug um Zug gegen Rückzahlung von 33,26 € brutto gutzuschreiben.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Allerdings wurde die Berufung gesondert zugelassen.

Die Gründe:
Die Beklagte hatte die geschuldete Leistung der Jahresleistungsprämie 2023 nach § 5 Ziff.1 und 6 des TV JlP an die Klägerin vollständig bewirkt. Der Erfüllungseinwand der Beklagten hat die Forderung vernichtet. Die heute h.M. in Rechtsprechung und Literatur geht unisono davon aus, dass die Erfüllung weder eine vertragliche Einigung noch eine Tilgungsbestimmung voraussetzt, sondern allein aufgrund der tatsächlichen Herbeiführung des Leistungserfolgs eintritt. Das Schuldverhältnis (hier die in Frage stehende Forderung) ist nach § 362 Absatz 1 BGB erloschen.

Die Stunden - gemeint können nur die die vollen Tage überschießenden Reststunden sein (2 h und 18 Minuten) - können einem Zeitkonto gutgeschrieben oder entsprechend ausgezahlt werden. Beides kann bei dieser Wortwahl ausschließlich und nur der Arbeitgeber. Er kann die Stunden einem Zeitkonto gutschreiben, oder die entsprechende Restzahlung auszahlen und Abrechnung hierüber erteilen. Der Text des Tarifvertrages enthält keine Formulierung, die dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht einräumt. Damit hat die Beklagte durch die Auszahlung der 33,26 € brutto die Schuld vollständig beglichen. Der Anspruch ist insgesamt erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB.

Das Gericht hat den maßgeblichen Sinn der tariflichen Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften, zu erforschen. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm ist mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Bereits hier scheiterte der Parteivortrag. In der tariflichen Norm hatte die in den Mails erkennbare Auffassung eines Vertreters einer Seite keinen Niederschlag gefunden.

Das Gericht hatte die Berufung zuzulassen, da die Rechtssache eine Rechtsstreitigkeit über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichtes hinaus erstreckt, betrifft, § 64 Abs. 3 Nr. 1 Buchst b ArbGG.

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