05.03.2024

Streit um die Überlassung eines Dienstwagens auch zur Privatnutzung

Die Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung ist grundsätzlich so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss. Nicht jede Änderung der Arbeitsaufgabe vermag einen anzuerkennenden Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit darstellen, und zwar auch dann nicht, wenn der geldwerte Vorteil der Privatnutzung - wie hier - weniger als 25% der Gesamtvergütung ausmacht.

LAG Hamm v. 23.1.2024 - 6 Sa 1030/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit 2009 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Bruttojahresgehalt belief sich zuletzt auf ca. 130.000 € inkl. des geldwerten Vorteils für die Privatnutzung eines Dienstwagens i.H.v. 1.119 € brutto/Monat. Im Mai 2015 hatten die Parteien einen Arbeitsvertrag geschlossen, wonach der Kläger ab dem Juli 2015 als Salesmanager innerhalb des Geschäftsbereichs Marketing und Vertrieb eingesetzt werden sollte. Regelungen zur Überlassung eines Dienstwagens enthielt der Vertrag selbst nicht. Gemäß einer Vertragsergänzung stellte die Beklagten dem Kläger während der Ausübung der Tätigkeit als Salesmanager ein sog. funktionsabhängiges Geschäftsfahrzeug (Dienstwagen) zur Verfügung.

Am 29.6.2021 vereinbarten die Parteien eine Vertragsergänzung, wonach der Kläger ab Juli 2021 als Gebietsleiter Verkauf innerhalb des Geschäftsbereichs Marketing und Vertrieb eingesetzt werden sollte. Weiter hieß es, dass die Übertragung einer anderen zumutbaren, den Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechenden gleichwertigen Tätigkeit im Falle betrieblicher Erforderlichkeit vorbehalten bleibe. Zugleich vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte dem Kläger ein funktionsabhängiges Geschäftsfahrzeug zur Verfügung stelle, sofern er nach den jeweils gültigen betrieblichen Regelungen hierfür berechtigt sei. Weitere Einzelheiten könnten der Fahrzeugregelung funktionsabhängiges Geschäftsfahrzeug entnommen werden. Mit Beendigung der Tätigkeit entfalle diese Leistung. Zudem ließ sich die Beklagte ein Widerrufsrecht einräumen.

Seit Februar 2023 ist der Kläger nicht mehr als Gebietsleiter Verkauf, sondern als Vertriebspartnerbetreuer Einzelkunden tätig. Der Inhalt der Tätigkeit hat sich indes nicht wesentlich geändert. lm März 2023 erfolgte eine turnusmäßige Überprüfung der Fahrzeugberechtigung. Das Erfordernis einer dauerhaft hohen Mobilität (dienstliche Abwesenheit von mehr als 50%) konnte demnach beim Kläger nicht festgestellt werden. Die Beklagte forderte ihn daraufhin auf, den Dienstwagen bis spätestens 31.12.2023 zurückzugeben. Der Kläger war der Ansicht, die Regelungen zum Entzug/Widerruf des Geschäftsfahrzeugs seien intransparent und somit gem. § 307 Absatz 3 Satz 2, Absatz 1 Satz 2 BGB unwirksam. Die Kombination aus Zweckbefristung bzw. auflösender Bedingung nach § 158 Absatz 2 BGB und Widerrufsvorbehalt sei ebenso unwirksam wie eine Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Überlassung des Geschäftsfahrzeugs auch zur privaten Nutzung über den 31.12.2023 hinaus abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LAG das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben.

Die Gründe:
Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger über den 31.12.2023 hinaus ein Geschäftsfahrzeug zur dienstlichen und privaten Nutzung nach Maßgabe der Vertragsergänzung vom 29.6.2021 zur Verfügung zu stellen.

Der Anspruch des Klägers ist nicht untergegangen. Die Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung ist grundsätzlich so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss. Denn sie ist Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung und damit Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts. Der Anspruch des Klägers auf weitere Überlassung eines Geschäftsfahrzeugs wäre daher nur dann zu verneinen, wenn die Beklagte zur Rückforderung berechtigt wäre, namentlich eine wirksam vereinbarte auflösende Bedingung eingetreten oder von einem wirksam vereinbarten Widerrufsvorbehalt wirksam Gebrauch gemacht worden wäre.

Der Anspruch des Klägers ist allerdings nicht wegen des Eintritts einer auflösenden Bedingung gem. § 158 Absatz 2 BGB untergegangen. Die Klausel zur dienstlichen Notwendigkeit des Geschäftsfahrzeugs ist unter mehreren Aspekten intransparent und daher unwirksam. Unklar ist bereits, wann eine "dauerhaft hohe Mobilität" zu verneinen ist. Der Wortlaut ist insoweit mehrdeutig, ohne dass unter Berücksichtigung des Vertragszwecks für rechtlich nicht vorgebildete Durchschnittsarbeitnehmer aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise einer Auslegungsvariante der Vorrang zu geben wäre. Des Weiteren ist unklar, welche Reisen mit dem Geschäftsfahrzeug überhaupt bei der Frage der dienstlichen Abwesenheit berücksichtigt werden. Letztlich ist unklar, wie die Quote von mind. 50% der Arbeitstage berechnet werden soll.

Der Widerrufsvorbehalt der Beklagten ist materiell unwirksam, da die Klausel auch zum Widerruf des Geschäftsfahrzeugs aus Gründen berechtigt, die für den Kläger nicht zumutbar sind. Auch wenn der Arbeitgeber im Grundsatz ein anerkennenswertes Interesse daran hat, bestimmte Leistungen flexibel auszugestalten, darf das Wirtschaftsrisiko nicht auf die Arbeitnehmer verlagert werden. Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsvertrags sind nach der Wertung des § 307 Absatz 2 BGB nicht zulässig. So vermag nicht jede Änderung der Arbeitsaufgabe einen anzuerkennenden Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit darzustellen, und zwar auch dann nicht, wenn der geldwerte Vorteil der Privatnutzung - wie hier - weniger als 25% der Gesamtvergütung ausmacht.

Mehr zum Thema:

Arbeitsrechts-Berater (ArbRB)
Fröhlich, Exzessive Nutzung von Dienstwagen - Regelungsmöglichkeiten zu Streitvermeidung und Widerruf der Privatnutzung, ArbRB 2023, 285 ff., gratis abrufbar im ArbRB-Probeabonnement oder Datenbank-Test.

arbrb-Blog
Daniel Mantel
Stolperfalle: Widerrufsvorbehalte für Dienstwagen - ArbG Duisburg mit strenger AGB-Kontrolle
ArbRB Blog 2024

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