18.04.2024

Streit um Wirksamkeit bzw. Zusammenrechnung von Befristungen in einem Arbeitsverhältnis

Die Beschäftigung im Rahmen eines Drittmittelprojekts kann selbst dann für das nichtwissenschaftliche Personal eine Aufgabe von begrenzter Dauer darstellen, wenn der Arbeitgeber ständig Drittmittelforschung betreibt. Nach BAG-Rechtsprechung ist eine Zusammenrechnung der befristeten Arbeitsverhältnisse ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich über 2 Jahre unterbrochen war.

ArbG Gera v. 13.3.2024 - 4 Ca 490/23
Der Sachverhalt:
Der Beklagte unterhält ein Institut für Bio-Geo-Chemie. Es handelt sich um einen eigenständigen Betrieb mit ca. 230 Beschäftigten. Davon sind ca. 15 Mitarbeiter in der Verwaltung beschäftigt. Etwa 135 Wissenschaftler werden von ca. 80 Mitarbeitern nicht wissenschaftliches Personal unterstützt. Es gibt einen Betriebsrat.

Klägerin hat ein Studium der Geografie mit Diplom abgeschlossen. Bei dem Beklagten war sie zunächst vom 21.5.2007 bis 31.3.2010 beschäftigt. Auf diesen Zeitraum entfielen 7 Befristungen. Vom 1.4.2010 bis 15.4.2012 bestand zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis. In dieser Zeit hatte die Klägerin ein Kind geboren und befand sich bis zum 9.1.2012 in Elternzeit. Danach war die Klägerin für weitere 9 Jahre und 2,5 Monate beim Beklagten beschäftigt. Diesmal fielen 11 Befristungen an. Seit Mai 2013 war die Klägerin Betriebsratsmitglied. Betriebsratsvorsitzende wurde sie am 11.03.2020. Vom 1.7.2021 bis 30.6.2022 war die Klägerin arbeitslos. Seit dem 1.7.2022 hat sie eine neue Tätigkeit.

Gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.6.2021 hatte die Klägerin die am 21.7.2021 bei Gericht eingegangene Befristungskontrollklage erhoben. Sie trug vor, ihre Befristung sei willkürlich erfolgt und nicht durch einen Sachgrund gerechtfertigt. Sie sei mit Daueraufgaben beschäftigt gewesen.     Die Kettenbefristung ihres Arbeitsverhältnisses halte einer Missbrauchskontrolle nach BAG-Rechtsprechung nicht stand. Im Zeitraum von 14 Jahren sei sie 18 mal befristet worden. Außerdem liege eine Benachteiligung i.S.d. § 78 S. 2 BetrVG aufgrund ihrer Betriebsratstätigkeit vor.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Die Befristung des Arbeitsvertrages vom 27.8.2020 war nach § 14 Abs. 1 TzBfG zulässig. Sie war durch den sachlichen Grund der Vergütung der Klägerin aus Haushaltsmitteln gerechtfertigt, § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG. Die weitgehende Fremdbestimmtheit durch Vorgaben des Drittmittelgebers vermag eine Befristung sachlich zu rechtfertigen, wenn sich der Arbeitgeber entschließt, die finanzierten Aufgaben nur für die Dauer der Bewilligung von Drittmitteln durchzuführen. Die Beschäftigung im Rahmen eines Drittmittelprojekts kann selbst dann für das nichtwissenschaftliche Personal eine Aufgabe von begrenzter Dauer darstellen, wenn der Arbeitgeber ständig Drittmittelforschung betreibt. Eine Kongruenz von Vertragsdauer und Befristungsgrund ist nicht erforderlich.

Die der Klägerin übertragene Tätigkeiten stellten keine Daueraufgabe dar. Dies stand zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Beklagte hat hinreichend substantiiert dargelegt, dass die Klägerin mit unterschiedlichen Tätigkeiten beschäftigt worden war. Auch eine Missbrauchskontrolle führte nicht zur Rechtsunwirksamkeit der Befristung. Zwar lag eine Kettenbefristung vor. Die Klägerin konnte sich aber nicht mit Erfolg darauf berufen, ihr Arbeitsverhältnis habe insgesamt 14 Jahre bestanden und sei 18-mal befristet worden. Ihr Arbeitsverhältnis war vom 1.4.2010 bis 15.4.2012 über 2 Jahre unterbrochen. Bei dieser Dauer handelte es sich um einen wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum. Nach BAG-Rechtsprechung (Urt. v. 21.3.2017 - 7 AZR 369/15) ist eine Zusammenrechnung der befristeten Arbeitsverhältnisse ausgeschlossen.

Auch eine Missbrauchskontrolle führte nicht zur Rechtsunwirksamkeit der Befristung. Der Beschäftigungszeitraum vom 16.4.2012 bis 30.06.2021 umfasste nur 9 Jahre und 2,5 Monate. In diesem Zeitraum war das Arbeitsverhältnis insgesamt 11-mal befristet. Nach dem vom BAG entwickelten Ampelmodell (Urt. v. 26.10.2016 - 7 AZR 135/15) hat der Beklagte damit weder die rote Ampel (10 Jahre 15 Befristungen) noch die gelbe Ampel (8 Jahre 12 Befristungen) überfahren. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht berücksichtigt, dass im Bereich der gelben Ampel der Arbeitnehmer den institutionellen Gestaltungsmissbrauch darlegen muss. Der Arbeitgeber muss dann entlastende Tatsachen vortragen. Unter Berücksichtigung der Vorträge beider Seiten stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ein institutioneller Rechtsmissbrauch nicht gegeben war.

Letztlich lag auch kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 78 S. 2 BetrVG vor. Die Beweislast für eine Schlechterstellung trägt der Arbeitnehmer. Die Klägerin hatte den Vorwurf der Benachteiligung zwar in den Raum gestellt, hinreichend substantiierter Tatsachenvortrag aus dem sich ableiten ließ, dass die Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses auf der Amtstätigkeit der Klägerin beruhte, war jedoch nicht aus der Akte zu entnehmen.

Mehr zum Thema:

Aktionsmodul Arbeitsrecht
Für klare Verhältnisse sorgen: Mit den Inhalten der erstklassigen Standardwerke zum Arbeitsrecht. Topaktuell mit Fachinformationen rund um die Corona-Krise. Zahlreiche bewährte Formulare auch mit LAWLIFT bearbeiten! Neuauflage HWK Arbeitsrecht Kommentar mit Rechtsstand 1.4.2022. Hier online nutzen. 4 Wochen gratis nutzen!
Online-Verwaltung Thüringen
Zurück