18.03.2025

Streitwertkatalog: Antrag auf ordnungsgemäße Durchführung einer Betriebsvereinbarung mit Hilfswert zu bemessen

Anträge auf ordnungsgemäße Durchführung einer Betriebsvereinbarung und/oder Unterlassung von Maßnahmen, die einer Betriebsvereinbarung widersprechen, sind mit nicht mehr als einem Hilfswert zu bemessen, soweit nicht besondere Anhaltspunkte eine Erhöhung rechtfertigen. Dies folgt aus den Empfehlungen des Streitwertkatalogs vom 1.2.2024, da dort für den größtmöglichen Streit, nämlich den um die Wirksamkeit/Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung, aufgezeigt ist, dass eine Erhöhung auf den doppelten Hilfswert erfolgen kann. Leistungs- und Unterlassungsanträge, die sich auf die ordnungsgemäße Durchführung einer Betriebsvereinbarung und auf die Unterlassung von Maßnahmen, die dieser Betriebsvereinbarung widersprechen beziehen, dürften regelmäßig wirtschaftlich identisch sein (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).

Hessisches LAG v. 10.3.2025 - 12 Ta 25/25
Der Sachverhalt:
Gegenstand der Beschwerde ist die von dem ArbG vorgenommene Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 RVG in einem Beschlussverfahren, welches die Einhaltung der durch Spruch der Einigungsstelle vom 26.5.2023 zustande gekommenen Konzernbetriebsvereinbarung zur Einführung und Nutzung der Software Vivendi zum Inhalt hat.

Nach Anlage PEP 4 zum Spruch der Einigungsstelle dürfen die Gründe der Abwesenheit von Beschäftigten ausschließlich für die Rollen Administrator, Fachadministrator, Einrichtungsleitung bzw. einer durch sie beauftragten Person und der Personalabteilung sichtbar sein. Darüber hinaus darf als zulässiger Grund bei "Krank ohne Bescheinigung" nur das Dienstplankürzel "KoB" verwendet werden. Nach Vortrag des antragstellenden Konzernbetriebsrats ist in der Vergangenheit neben dem Kürzel "KoB" auch das weitere Dienstplankürzel "KoB1" verwendet worden. Darüber hinaus seien die Dienstplankürzel "KoB" und "KoB1" für alle Nutzerrollen des Systems sichtbar gewesen.

Der Konzernbetriebsrat erstrebte mit einem Leistungs- und einem Unterlassungsantrag sowie mit korrespondierenden Hilfsanträgen die Einhaltung der geschlossenen Konzernbetriebsvereinbarung bzgl. der Kürzelverwendung und der vergebenen Leserechte. Das Verfahren endete am 2.8.2024 mit der Rücknahme der angekündigten Anträge, nachdem die Beteiligten in einem parallel geführten einstweiligen Verfügungsverfahren mit demselben Streitgegenstand am 5.5.2024 einen Vergleich geschlossen hatten.

Das ArbG setzt nach Anhörung der Beteiligten den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit gem. § 33 RVG mit Beschluss vom 28.11.2024 auf 5.000 € für das Verfahren fest und führte hierzu aus, der Konzernbetriebsrat begründe seine Unterlassungs- und Leistungsanträge mit der Betroffenheit seines Mitbestimmungsrechts gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Insoweit sei für das betroffene Mitbestimmungsrecht der Hilfswert in voller Höhe festzusetzen. Aufgrund einer nicht gesteigerten großen Bedeutung des Beschlussverfahrens im Hinblick auf das streitgegenständliche Mitbestimmungsrecht sei eine Erhöhung des Hilfswerts nicht vorzunehmen.

Das OLG wies die Beschwerde zurück.

Die Gründe:
Grundsätzlich stützt das LAG seine Entscheidung auf den von der Streitwertkommission der Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeiteten "Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit" (Fassung vom 1.2.2024). Der Konzernbetriebsrat hat durch die Konzernbetriebsvereinbarung, die im Wege des Spruchs der Einigungsstelle am 26.5.2023 zustande gekommen ist, sein Mitbestimmungsrecht ausgeübt. Ein Streit über das Bestehen eines diesbezüglichen Mitbestimmungsrechts war nicht gegeben. Vielmehr stritten die Betriebspartner darüber, ob der Arbeitgeber die abgeschlossene Betriebsvereinbarung einhält oder ob er gegen diese verstößt. Der Streitwertkatalog enthält hierzu unter Ziffer II. folgende Regelung:

"3. Betriebsvereinbarung
3.1 Ausgehend vom Hilfswert nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG wird gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, z.B. Inhalt und Bedeutung der Regelung, eine Erhöhung bzw. ein Abschlag vorgenommen.
3.2 Steht die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung im Streit, kann abweichend von II. Nr. 3.1 vom doppelten Hilfswert des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG auszugehen sein. Das gilt auch für den gewerkschaftlichen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch bei tarifwidriger Betriebsvereinbarung."

Nimmt man die Regelungen unter den Ziffern 3.1 und 3.2 in den Blick, zeigt sich, dass im Falle des größtmöglichen Streits, nämlich einem solchen über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung, nach Ziffer 3.2 der doppelte Hilfswert zugrunde gelegt werden kann. Zwar lässt auch Ziffer 3.2 eine höhere Festsetzung als die des doppelten Hilfswerts zu, dies wird jedoch aufgrund der Formulierung auf absolute Ausnahmefälle beschränkt sein müssen. Ausgehend von dem Verhältnis der Empfehlungen in Ziffer 3.1 zu denen in Ziffer 3.2 lässt sich folgern, dass Anträge, die sich nicht gegen die Wirksamkeit/Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung richten, regelmäßig nicht mit mehr als einem Hilfswert bewertet sein sollten. Lediglich wenn besondere Umstände des Einzelfalls, z.B. der Inhalt und die Bedeutung der Regelung, einen Abschlag oder eine Erhöhung rechtfertigen, wird deren Berücksichtigung empfohlen.

Leistungs- und Unterlassungsanträge, die sich auf die ordnungsgemäße Durchführung einer Betriebsvereinbarung und auf die Unterlassung von Maßnahmen, die dieser Betriebsvereinbarung widersprechen beziehen, dürften regelmäßig wirtschaftlich identisch sein (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG).

Mehr zum Thema:

Kurzbeitrag
Neuer Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit
ArbRB 2024, 128
ARBRB0065987

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