27.11.2018

Syndikusrechtsanwälte rückwirkend von Rentenversicherungspflicht befreit

Syndikusrechtsanwälte können von der Rentenversicherungspflicht auch für Zeiten vor dem gesetzlichen Stichtag (1.4.2014) befreit werden, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Dabei ist es unerheblich, ob diese Beiträge für die eigentliche Tätigkeit als Syndikus oder aber für eine daneben ausgeübte selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt geleistet wurden.

SG Münster 6.11.2018, S 24 R 565/18
Der Sachverhalt:

Die Klägerin ist Assessorin und war im streitgegenständlichen Zeitraum selbstständige Rechtsanwältin. Zudem ist sie seit dem 1.9.2012 bei einer GmbH beschäftigt. Sie war jedenfalls für ihre selbstständige Tätigkeit Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie beantragte am 17.9.2013 eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht bei der Beklagten für ihre Tätigkeit bei der GmbH. Zudem beantragte sie am 12.1.2016 bei der Rechtsanwaltskammer die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin. Die Zulassung zur Syndikusrechtsanwältin erfolgte mit Wirkung vom 5.7.2016.

Mit Bescheid vom 14.4.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 17.9.2013 ab. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Schließlich befreite die Beklagte die Klägerin auf Antrag vom 19.1.2016 hin von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für ihre Tätigkeit bei der GmbH mit Wirkung vom 5.7.2016 an. Des Weiteren befreite die Beklagte die Klägerin von der Pflicht für den Zeitraum vom 1.4.2014 bis zum 4.7.2016. Die Befreiung von der Pflicht für die Zeit vom 1.9.2012 bis zum 31.3.2014 lehnte sie hingegen mit der Begründung ab, dass die Klägerin nicht die von § 231 Abs. 4b S. 4 SGB VI geforderten einkommensbezogenen Beiträge an das zuständige Versorgungswerk gezahlt habe. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies sie als unbegründet zurück.

Die gegen die Ablehnung der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht erhob die Klägerin Klage. Die Klage hatte vor dem SG Erfolg. Die Beklagte wurde verurteilt, die Klägerin wegen ihrer ab dem 1.9.2012 bei der GmbH ausgeübten Beschäftigung für die Zeit bis einschließlich März 2014 gem. § Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 231 Abs. 4b S. 4 SGB VI zu befreien.

Die Gründe:

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gem. § 231 Abs. 4b S. 1 und 4 SGB VI.

Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 1.1.2016 geltenden Fassung erteilt wurde, wirkt auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird, § 231 Abs. 4b S. 1 SGB VI.

Die auf die Beschäftigung der Klägerin wirkende Befreiung wird in ihrer Rückwirkung nach § 231 Abs. 4b S. 3 SGB VI jedoch auf den Zeitraum ab dem 1.4.2014 begrenzt. Sie wirkt aber auch für Zeiten vor dem 1.4.2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden, § 231 Abs. 4b S. 4 SGB VI. Dies ist im Streitfall gegeben.

Die Klägerin hat auch einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk geleistet. Auch bei der von der Klägerin gezahlten Mindestbeiträgen des Regelpflichtbeitrags handelt es sich um einkommensbezogene Pflichtbeiträge. Anders als z.T. angenommen, steht der Annahme von einkommensbezogenen Pflichtbeiträgen nicht entgegen, dass die Pflichtbeiträge nicht für die Beschäftigung entrichtet worden sind, für die die Befreiung begehrt wird. Ein solcher Zusammenhang ist nicht erforderlich.

Würde diese weitergehende Befreiungsmöglichkeit verneint, würden alleine diejenigen Unternehmensjuristen profitieren, deren Arbeitgeber in der Vergangenheit nicht gesetzeskonform Beiträge an das Versorgungswerk statt zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt hätten.

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