24.07.2013

Unfall: Wann führt das Eigenverschulden des Arbeitnehmers zum Wegfall des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung?

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG entfällt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit selbst schuldhaft verursacht hat. Insoweit reicht allerdings nicht ein Verschulden i.S.v. § 276 BGB aus. Erforderlich ist vielmehr ein besonders leichtfertiges oder gar vorsätzliches Verhalten des Arbeitnehmers. Danach rechtfertigt etwa bei einem Sturz während der Arbeit das Tragen leichter Stoffschuhe in aller Regel keine Versagung der Entgeltfortzahlung.

LAG Köln 19.4.2013, 7 Sa 1204/11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist in dem Restaurant der Beklagten beschäftigt. Am 22.12.2010 stürzte sie auf nassem Boden im Restaurant und verletzte sich dabei so schwer, dass sie in den folgenden vier Wochen arbeitsunfähig war.

Die Beklagte weigerte sich, für diese vier Wochen Entgeltfortzahlung zu leisten, weil die Klägerin den Sturz selbst verschuldet habe. Sie habe Stoffturnschuhe mit glatten Sohlen getragen. Schon am Vortag hätten zwei Vorgesetzte sie unabhängig voneinander darauf angesprochen, dass diese Schuhe nicht ausreichend rutschfest seien. Dennoch sei die Klägerin am nächsten Tag wieder mit den Stoffschuhen zur Arbeit erschienen.

Die Klägerin bestritt, am Unfalltag Stoffschuhe mit glatter Sohle getragen zu haben. Sie habe vielmehr Lederschuhe mit rutschfester Sohle angehabt. Zu dem Unfall sei es gekommen, weil der frisch aufgewischte Boden nicht getrocknet worden sei. Es habe auch kein Warnschild auf den nassen Boden hingewiesen.

Die Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die insoweit beweisbelastete Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass die Klägerin ihre Arbeitsunfähigkeit i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG verschuldet hat. Einer Beweisaufnahme bedurfte es nicht. Denn selbst wenn man die streitigen Behauptungen der Beklagten zu ihren Gunsten als wahr unterstellt, führt dies nicht zu einem Wegfall des Entgeltfortzahlungsanspruchs.

Die Beklagte verkennt den im Rahmen von § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG maßgeblichen Verschuldensmaßstab. Das in der Norm erwähnte Verschulden des Arbeitnehmers entspricht nicht dem Verschulden i.S.v. § 276 BGB. Im Entgeltfortzahlungsrecht wird vielmehr nur ein solches Verhalten als anspruchsausschließend bewertet, das einen groben Verstoß gegen das eigene Interesse eines verständigen Menschen darstellt. Ein im allgemeinen Sprachgebrauch als leichtsinnig bezeichnetes Verhalten erfüllt den Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG daher noch nicht.

Erforderlich ist damit ein besonders leichtfertiges oder gar vorsätzliches Verhalten des Arbeitnehmers. Ein solches liegt hier nicht vor. Bei den Stoffschuhen, die die Klägerin getragen haben soll, handelt es sich - anders als z.B. bei hohen Stöckelschuhen - nicht per se um ungeeignetes Schuhwerk. Wie rutschfest Sohlen sind, ist zudem schwer objektiv feststellbar. Im Übrigen war der maßgebliche Bereich auch für Restaurantbesucher frei zugänglich. Wäre die Rutschgefahr mit Stoffschuhen tatsächlich so hoch gewesen, wie von der Beklagten behauptet, hätte sie den Gefahrenbereich absperren müssen.

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