Unterschreitung des Mindestlohns in der Pflegebranche kann zulässig sein
ArbG Hamm 11.9.2015, 2 Ca 678/15 LDie Klägerin ist seit Oktober 2008 bei der Beklagten, die mehrere private Pflegedienste betreibt, als Betreuungskraft beschäftigt. Sie erhielt zuletzt einen Stundenlohn von 6,65 Euro und pro geleistetem Bereitschaftsdienst in der Nacht 36,20 Euro zuzüglich Nachtarbeitszuschläge i.H.v. 25 bis 40 Prozent.
Die zum 1.1.2015 in Kraft getretene 2. Verordnung nach § 11 AEntG über zwingende Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche (2. PflegeArbbV) sieht ein Mindestentgelt von 9,40 Euro pro Stunde vor; u.a. für Assistenzkräfte und Betreuer von Menschen mit erheblichem Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung ist die Verordnung allerdings erst ab dem 1.10.2015 anzuwenden.
Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin von der Beklagten u.a. die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde für die Monate Januar bis Juli 2015. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab.
Die Gründe:
Die Klägerin hat für die vergangenen Monate keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 1 Abs. 2 MiLoG auf Vergütung auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde.
Das Mindestlohngesetz findet hier aufgrund der Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 MiLoG keine Anwendung. Nach dieser Vorschrift gehen die Regelungen des AEntG und der auf ihrer Grundlage erfassten Rechtsverordnungen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns nicht unterschreitet. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da der Branchenmindestlohn für die Pflegebranche sich ab Januar 2015 auf 9,40 EUR je Stunde beläuft und damit höher ist als der gesetzliche Mindestlohn.
Ein Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn ergibt sich auch nicht daraus, dass der Branchenmindestlohn zu ihren Gunsten erst ab dem 1.10.2015 Anwendung finden wird. Denn die 2. PflegeArbbV stellt eine gesetzliche Grundlage dar und setzt allein voraus, dass der territoriale sowie betrieblich-fachliche Geltungsbereich eröffnet ist, was hier unstreitig der Fall ist.
Das führt zwar dazu, dass die Klägerin praktisch für die Zeit bis September 2015 keinen gesetzlichen Mindestlohn verlangen kann. Dies ist jedoch rechtlich nicht zu beanstanden, zumal weiterhin eine Überprüfung der Vergütungsvereinbarung nach den Grundsätzen des § 138 BGB möglich ist. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist hier allerdings nicht feststellbar.