Vergütung (freigestellter) Betriebsratsmitglieder: Zur Frage der Darlegungs- und Beweislast
BAG v. 20.3.2025 - 7 AZR 46/240
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit 1984 bei der beklagten Automobilherstellerin beschäftigt. Er war als Anlagenführer tätig und wurde nach den einschlägigen (firmen-)tarifvertraglichen Regelungen entsprechend der sog. Entgeltstufe (ES) 13 vergütet. Seit 2002 ist er Mitglied des Betriebsrats und von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Anfang 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Arbeitsentgelt werde entsprechend der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung gem. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG der ES 14 angepasst. In der Folgezeit erhielt der Kläger ähnlich lautende Anpassungsmitteilungen hinsichtlich der jeweils nächsthöheren Entgeltstufe und bezog ab 1.1.2015 eine Vergütung nach ES 20. Im Oktober 2015 wurde ihm eine freie Stelle als Fertigungskoordinator angetragen, für die er intern als "Idealbesetzung" galt. Aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit bewarb sich der Kläger nicht.
Im Nachgang zur Entscheidung des BGH vom 10.1.2023 (6 StR 133/22) überprüfte die Beklagte die Vergütungen freigestellter Betriebsratsmitglieder. Beim Kläger erachtete sie eine Vergütung nach ES 18 als zutreffend und forderte für Oktober 2022 bis Januar 2023 die über die ES 18 hinaus gezahlte Vergütung zurück. Im Februar 2023 erhielt der Kläger Entgelt nach ES 17, seit März 2023 auf Grundlage von ES 18.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger Vergütungsdifferenzen, den zurückgezahlten Betrag sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, das Arbeitsverhältnis ab dem 1.1.2015 nach den jeweils geltenden tarifvertraglichen und betrieblichen Regelungen für Beschäftigte in der ES 20 durchzuführen. Er hat sich neben den Anpassungsmitteilungen der Beklagten auch darauf berufen, eine Vergütung nach ES 20 entspreche seiner hypothetischen Karriere zu einer Tätigkeit als Fertigungskoordinator.
Das LAG gab den Zahlungsanträgen im Wesentlichen statt und erkannte nach der begehrten Feststellung - allerdings erst ab 1.1.2016. Der Kläger habe zwar keinen Anspruch auf Vergütung nach ES 20 gem. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG (Vergütungsanpassung), wohl aber nach § 78 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB (fiktiver Beförderungsanspruch). Auf die Revision der Beklagten hob das BAG das Urteil des LAG auf und verwies die Sache dorthin zurück.
Die Gründe:
Ob die Zahlungsanträge des Klägers begründet sind, konnte das BAG nicht abschließend beurteilen. Das LAG hat bei dem hauptsächlich zur Entscheidung gestellten Anpassungsanspruch nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG die Darlegungs- und Beweislast beim Kläger gesehen. Ermittelt jedoch - wie vorliegend - der Arbeitgeber eine für das Betriebsratsmitglied ersichtlich auf § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gestützte Vergütungsanpassung, teilt diese dem (freigestellten) Betriebsratsmitglied mit und zahlt eine dementsprechende Vergütung, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast für deren objektive Fehlerhaftigkeit, wenn er im Nachhinein die Bemessung des Arbeitsentgelts korrigiert.
Erst wenn die Beklagte die Fehlerhaftigkeit der Vergütungsanpassung darzulegen und ggf. zu beweisen vermag, wird das LAG über die Zahlungsanträge aufgrund des hilfsweise erhobenen Anspruchs des Klägers infolge des Verbots einer Benachteiligung bei seiner beruflichen Entwicklung zu befinden haben. Aus § 78 Satz 2 BetrVG kann sich i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB ein unmittelbarer Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf eine bestimmte Vergütung ergeben, wenn sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds wegen seiner Betriebsratstätigkeit darstellt. Dieser bildet einen eigenständigen prozessualen Anspruch (Streitgegenstand); § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG enthält insoweit keine abschließende Regelung über die Höhe des Arbeitsentgelts des Amtsträgers. Diese Maßgabe ist mit dem Urteil des BGH vom 10.1.2023 - 6 StR 133/22 - nicht in Frage gestellt.
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BAG PM Nr. 13 vom 20.3.2025
Der Kläger ist seit 1984 bei der beklagten Automobilherstellerin beschäftigt. Er war als Anlagenführer tätig und wurde nach den einschlägigen (firmen-)tarifvertraglichen Regelungen entsprechend der sog. Entgeltstufe (ES) 13 vergütet. Seit 2002 ist er Mitglied des Betriebsrats und von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Anfang 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Arbeitsentgelt werde entsprechend der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung gem. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG der ES 14 angepasst. In der Folgezeit erhielt der Kläger ähnlich lautende Anpassungsmitteilungen hinsichtlich der jeweils nächsthöheren Entgeltstufe und bezog ab 1.1.2015 eine Vergütung nach ES 20. Im Oktober 2015 wurde ihm eine freie Stelle als Fertigungskoordinator angetragen, für die er intern als "Idealbesetzung" galt. Aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit bewarb sich der Kläger nicht.
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Mit seiner Klage verlangt der Kläger Vergütungsdifferenzen, den zurückgezahlten Betrag sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, das Arbeitsverhältnis ab dem 1.1.2015 nach den jeweils geltenden tarifvertraglichen und betrieblichen Regelungen für Beschäftigte in der ES 20 durchzuführen. Er hat sich neben den Anpassungsmitteilungen der Beklagten auch darauf berufen, eine Vergütung nach ES 20 entspreche seiner hypothetischen Karriere zu einer Tätigkeit als Fertigungskoordinator.
Das LAG gab den Zahlungsanträgen im Wesentlichen statt und erkannte nach der begehrten Feststellung - allerdings erst ab 1.1.2016. Der Kläger habe zwar keinen Anspruch auf Vergütung nach ES 20 gem. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG (Vergütungsanpassung), wohl aber nach § 78 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB (fiktiver Beförderungsanspruch). Auf die Revision der Beklagten hob das BAG das Urteil des LAG auf und verwies die Sache dorthin zurück.
Die Gründe:
Ob die Zahlungsanträge des Klägers begründet sind, konnte das BAG nicht abschließend beurteilen. Das LAG hat bei dem hauptsächlich zur Entscheidung gestellten Anpassungsanspruch nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG die Darlegungs- und Beweislast beim Kläger gesehen. Ermittelt jedoch - wie vorliegend - der Arbeitgeber eine für das Betriebsratsmitglied ersichtlich auf § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gestützte Vergütungsanpassung, teilt diese dem (freigestellten) Betriebsratsmitglied mit und zahlt eine dementsprechende Vergütung, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast für deren objektive Fehlerhaftigkeit, wenn er im Nachhinein die Bemessung des Arbeitsentgelts korrigiert.
Erst wenn die Beklagte die Fehlerhaftigkeit der Vergütungsanpassung darzulegen und ggf. zu beweisen vermag, wird das LAG über die Zahlungsanträge aufgrund des hilfsweise erhobenen Anspruchs des Klägers infolge des Verbots einer Benachteiligung bei seiner beruflichen Entwicklung zu befinden haben. Aus § 78 Satz 2 BetrVG kann sich i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB ein unmittelbarer Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf eine bestimmte Vergütung ergeben, wenn sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds wegen seiner Betriebsratstätigkeit darstellt. Dieser bildet einen eigenständigen prozessualen Anspruch (Streitgegenstand); § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG enthält insoweit keine abschließende Regelung über die Höhe des Arbeitsentgelts des Amtsträgers. Diese Maßgabe ist mit dem Urteil des BGH vom 10.1.2023 - 6 StR 133/22 - nicht in Frage gestellt.
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