15.07.2021

Verhältnis von Invaliditätsrente zur Erwerbsminderungsrente bei voraussichtlich dauernder Erwerbsunfähigkeit

Die nur befristete Gewährung einer Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung steht einem Anspruch auf betriebliche Invaliditätsversorgung nicht entgegen, wenn die Versorgungszusage vorsieht, dass "bei Eintritt einer voraussichtlich dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit i.S.d. Sozialversicherungsrechts" eine monatliche Invalidenrente gezahlt wird.

BAG v. 13.7.2021 - 3 AZR 445/20
Der Sachverhalt:
Die Beklagte erteilte dem Kläger im Jahr 2000 eine Versorgungszusage, die u.a. Leistungen der betrieblichen Invaliditätsversorgung "bei Eintritt einer voraussichtlich dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit i.S.d. Sozialversicherungsrechts" vorsieht. Der Kläger bezieht seit Juni 2017 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese war zunächst auf die Dauer von drei Jahren bis Ende Mai 2020 befristet bewilligt worden. Die Deutsche Rentenversicherung begründete in ihrem Rentenbescheid die Befristung mit den medizinischen Untersuchungsbefunden, nach denen es nicht unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne.

Der Kläger hat zuletzt eine betriebliche Invaliditätsversorgung für die Zeit vom 1.6.2017 bis zum 30.4.2020 i.H.v. insgesamt ca. 1.500 € geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen der Versorgungszusage seien erfüllt. Dass die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen voller Erwerbsminderung nur befristet bewilligt worden sei, sei unschädlich. Er sei gleichwohl seit dem 1. Juni 2017 voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig i.S.d. Sozialversicherungsrechts. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen der Versorgungszusage lägen nicht vor; der Kläger sei nicht "voraussichtlich dauernd" erwerbsunfähig, sondern nur für die Dauer von drei Jahren. Das ArbG wies die Klage ab. Das LAG hat ihr entsprochen.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Versorgungszusage verlangt für den Anspruch auf betriebliche Invaliditätsversorgung eine voraussichtlich dauernde völlige Erwerbsunfähigkeit i.S.d. Sozialversicherungsrechts. Damit bezieht sie sich auf § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der bei der Erteilung der Versorgungszusage geltenden Fassung und nunmehr auf § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, also die Regelungen über die Voraussetzungen einer an die Invalidität anknüpfenden Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Für die Frage der voraussichtlich dauerhaften völligen Erwerbsunfähigkeit bzw. vollständigen Erwerbsminderung ist die nach §§ 99 ff. SGB VI vorgesehene befristete Gewährung der Invaliditätsrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung ohne Bedeutung. Dabei handelt es sich lediglich um Verfahrensvorschriften, die nicht den Begriff der dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit i.S.d. Sozialversicherungsrechts definieren, den die Versorgungszusage in Bezug nimmt.
BAG PM Nr. 19 vom 13.7.2021
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