Verlängerte Anrufungsfrist: Arbeitsgerichte genügen mit der Wiedergabe von § 6 Satz 1 KSchG ihrer Hinweispflicht
BAG 18.1.2012, 6 AZR 407/10Nachdem über das Vermögen der Arbeitgeberin der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, einigte sich der beklagte Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat auf einen Interessenausgleich mit Namensliste, der u.a. auch eine Kündigung der Klägerin vorsah.
Im Interessenausgleich hatte der Betriebsrat erklärt, rechtzeitig und umfassend gem. § 17 KSchG unterrichtet worden zu sein. Diesen Interessenausgleich hatte der Insolvenzverwalter statt einer Stellungnahme des Betriebsrats der Agentur für Arbeit zugeleitet. Zu diesem Zeitpunkt hatte lediglich der Betriebsrat das Original des Interessenausgleichs unterzeichnet.
Die Klägerin erhob rechtzeitig Kündigungsschutzklage und wurde vom Arbeitsgericht in der Ladung zur Güteverhandlung darauf hingewiesen, dass "nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz auch weitere Unwirksamkeitsgründe geltend gemacht werden können". Erstmals in der zweiten Instanz rügte sie einen Verstoß gegen § 17 KSchG und § 102 Abs. 1 BetrVG. Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wirksam gekündigt. Während die von der Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorgebrachten Gründe nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führten, waren die erst in der Berufungsinstanz vorgebrachten Unwirksamkeitsgründe nicht mehr zu berücksichtigen.
Das Arbeitsgericht hat durch Wiedergabe des Gesetzeswortlauts des § 6 Satz 1 KSchG seiner Hinweispflicht auf die verlängerte Anrufungsfrist genügt. Wegen des verspäteten Vorbringens waren die erst im Berufungsverfahren geltend gemachten Unwirksamkeitsgründe nicht mehr zu berücksichtigen und kann offenbleiben, ob die Kündigung wegen unzureichender Anhörung des Betriebsrats gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam war.
Auch ob ein Verstoß gegen § 17 KSchG zur Unwirksamkeit der Kündigung führt und damit § 6 KSchG unterfällt, konnte unentschieden bleiben. Denn der Beklagte hat seine Pflichten aus § 17 KSchG nicht verletzt. Der Interessenausgleich hat gem. § 125 Abs. 2 InsO die nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG erforderliche Stellungnahme des Betriebsrats ersetzt. Dem steht nicht entgegen, dass zum damaligen Zeitpunkt das Original nur vom Betriebsrat unterzeichnet war und damit nicht dem Schriftformerfordernis des § 112 Abs. 1 BetrVG genügte.
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